EZB-Zinsentscheidung: Vier Argumente gegen eine Zinssenkung

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte diese Woche eine weitere Zinssenkung beschließen, nur fünf Wochen nach der letzten. Analyst Dr. Jörg Krämer von Commerzbank Research nennt vier Gründe, die gegen eine solche Entscheidung sprechen.

1. Temporäre Effekte senken die Inflation nur kurzfristig

Die gesunkene Kerninflation scheint eine Zinssenkung zu rechtfertigen. Doch dieser Rückgang resultiert hauptsächlich aus fallenden Energiepreisen, die auch andere Sektoren wie Transportdienstleistungen beeinflussen. Dieser Effekt könnte jedoch nur kurzfristig sein und sich nach dem Jahreswechsel auflösen. Steigende Löhne könnten mittelfristig wieder zu einem Inflationsanstieg führen.

2. Löhne steigen weiterhin – Gefahr für das Inflationsziel

Die Tariflöhne liegen derzeit bei etwa 4,5 %, deutlich über dem Inflationsziel der EZB von 2 %. Bisher zeigt sich keine Abschwächung dieses Trends. Eine Zinssenkung in einem Umfeld steigender Löhne könnte den Inflationsdruck weiter erhöhen.

3. Arbeitskräftemangel bleibt ein zentrales Problem

Ein Drittel der Unternehmen im Euroraum klagen über einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Eine Zinssenkung könnte kurzfristig die Investitionsnachfrage ankurbeln, was den Druck auf den ohnehin knappen Arbeitsmarkt verstärken würde. Dies könnte die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer erhöhen und zu höheren Löhnen sowie einem weiteren Inflationsschub führen.

4. Nach einer Inflationsperiode ist Vorsicht geboten

Nach der Phase hoher Inflation der letzten Jahre wäre es ratsam, an einer restriktiven Geldpolitik festzuhalten. Der Inflationsschock wirkt noch nach, und die langfristigen Inflationserwartungen aus der Vor-Corona-Zeit sind nicht mehr präsent. Eine verfrühte Lockerung der Geldpolitik könnte dazu führen, dass die EZB den Kampf gegen die Inflation erneut verliert, ähnlich wie in den 1970er Jahren nach den Ölpreisschocks.

Die EZB wird ihre Entscheidung am kommenden Donnerstag bekanntgeben.

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