Im Zuge der internationalen Finanzkrise hat sich in Europa
die Kreditproblematik weiter verschärft. Aufgrund der Vertrauensverluste
wird es immer schwieriger, Bankkredite zu erhalten. Das hat
spürbare Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Verglichen mit dem
Vorjahreszeitraum stiegen die Zahlungsausfälle der Unternehmen von Januar bis
September 2008 um 36 Prozent an. Coface reagiert nun auf diese rapide
Zunahme: Großbritannien und Irland wurden im Länderrating von A1 auf A2
abgewertet. Beide Länder waren bereits im letzten Jahr unter Beobachtung für
eine Abwertung gestellt worden. Island, schon seit März 2007 unter
Beobachtung, wurde jetzt von dem internationalen Forderungsspezialisten von
A1 auf A3 heruntergestuft. Neu unter negative Beobachtung gestellt wurden
Italien und Frankreich, aber auch Hongkong.
Die Kreditkrise beschränkt
sich keinesfalls auf einzelne Länder. "Angesichts der signifikanten
Verschlechterung des Zahlungsverhaltens bei den Unternehmen weltweit
zeichnete sich für uns schon Anfang des Jahres das Aufkommen einer globale
Kreditkrise ab", sagt Norbert Langenbach, Vorstandsmitglied von Coface
Deutschland. Die fünfte Krise seit dem ersten Ölschock in den 1970er Jahren
sei aber nun im vollen Gange.
Dabei wird das Ausmaß der Krisen von 1973,
1982 und 1991 noch nicht erreicht, doch dem Platzen der Internetblase 2001
kommt die aktuelle Krise schon sehr nahe. Vor allem die Industrieländer sind
betroffen. So stieg allein im letzten Quartal das Risiko in Westeuropa
nochmals um über 18 Prozent. Dank der Widerstandskraft der Schwellenländer
weitete sich die Krise zwar weniger aus als in früheren Krisenjahren, doch
bedingt durch die spezifisch finanzielle Komponente ist die Kreditklemme
dafür umso heftiger. Wie in der Vergangenheit muss nach Ansicht von Coface
auch dieses Mal damit gerechnet werden, dass die Wirtschaftskrise mindestens
18 Monate, wenn nicht zwei Jahre anhalten wird. Dies setzt allerdings voraus,
dass es nicht zu weiteren Einbrüchen kommt, etwa beim US-Dollar, in China
oder bei neuen Finanzinstrumenten.
Auf den Anstieg des Risikos
reagiert Coface mit einer Serie von Abwertungen im Länderrating. Begonnen hat
es damit, dass die Bewertung A1 der Vereinigten Staaten im April 2007 unter
Beobachtung für eine Abwertung gestellt wurde. Ein Jahr später wurde die
kriselnde Wirtschaftsmacht auf A2 heruntergestuft. "Die westeuropäischen
Länder, zu Jahresbeginn noch kaum betroffen, ziehen jetzt nach", kommentiert
Norbert Langenbach die aktuelle Situation. "In Deutschland bleibt die Lage
zwar noch vergleichsweise stabil, doch registrierten wir im dritten Quartal
für Westeuropa insgesamt eine Steigerung des Risikos um mehr als 18 Prozent.
Gerade die deutschen exportorientierten Unternehmen sollten jetzt auf ihr
Risikomanagement achten", empfiehlt das
Vorstandsmitglied.
"Hauptauslöser der Krise war das Platzen der
Immobilienblasen. Vor allem in Ländern wie Großbritannien und Irland sind die
Unternehmen davon betroffen", erklärt Yves Zlotowski, Chefvolkswirt von
Coface. "Beim Anwachsen der Finanzkrise kamen neue Verbreitungswege zutage,
die dazu beitragen, dass das Vertrauen der Wirtschaftsakteure mehr und
mehr untergraben wird. Die Krise macht vor der Eurozone nicht halt. Auch
in Frankreich und in Italien zeigen sich unmittelbare
Auswirkungen."
In Großbritannien, Irland und Island löste speziell der
Niedergang im Eigenheimbereich die Krise aus. In die Fußstapfen der USA und
von Spanien tretend, sehen die drei Länder nun ihr A1-Rating, das bereits
unter negativer Beobachtung stand, heruntergestuft. Das Rating von
Großbritannien und Irland liegt jetzt bei A2, die Abwertung Islands auf A3
zeugt vom Ernst der Lage dort. Coface rechnet in allen drei Ländern mit
wachsenden Schwierigkeiten für Unternehmen: Speziell in Großbritannien
nehmen die Auswirkungen der Finanz- und Eigenheimkrise auf den privaten
Konsum und die Unternehmensinvestitionen weiter zu. Die Zahl der Insolvenzen
stieg mit 14 Prozent im ersten Halbjahr 2008 drastisch an.
In Irland hat die Eigenheimkrise die gesamte Volkswirtschaft im Mitleidenschaft gezogen. Das Land steht kurz vor einer Rezession. In der ersten Jahreshälfte stiegen die Zahlungsausfälle bei Unternehmen um 75 Prozent.
In Island ist nach dem
Niedergang des Immobilienmarkts auch noch das Bankensystem
zusammengebrochen.
Doch auch die Unternehmen in Italien und Frankreich
leiden unter dem Vertrauensverlust und der Kreditklemme: Für Italien wurde
das Rating A2 unter negative Beobachtung gestellt, da sich angesichts des
geringen Wachstums und der stetig steigenden Kosten die Risiken für
Unternehmen erhöhen.
Frankreichs Rating A1 erging es entsprechend. Vor allem
seit diesem Sommer registriert Coface einen deutlichen Anstieg bei den
Zahlungsausfällen französischer Unternehmen. Im September 2008 lagen sie um
75 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Die Branchen Transport und Bau sowie
der Immobilienmarkt überhaupt waren als erste betroffen. Die Probleme sind
vor allem auf die Schwierigkeiten beim Kreditzugang sowie auf den
allgemeinen Auftragsrückgang zurückzuführen."
Angesichts der
europaweiten Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung unterstreicht Norbert
Langenbach das Engagement der Kreditversicherer, die Auswirkungen der Krise
für die Unternehmen abzufedern. Ihnen käme auch insofern eine präventive
Rolle zu, indem sie Unternehmen vor Kunden bewahren, die ihre Lieferungen
nicht bezahlen. "Der Hauptgrund für die Insolvenz eines Unternehmens liegt in
der Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden."
Die Coface-Länderbewertungen
berücksichtigen insbesondere das Zahlungsverhalten der Unternehmen bei
kurzfristigen Verbindlichkeiten in den jeweiligen Ländern. Es fließen aber
auch Daten zur wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Entwicklung
eines Landes ein sowie zum dort vorzufindenden Geschäftsumfeld, wozu vor
allem die Transparenz bei den Unternehmensbilanzen, der Gläubigerschutz und
institutionelle Rahmenbedingungen gehören. Das Rating ist ein guter Indikator
für Unternehmen, die mit oder in diesen Ländern Geschäfte machen.
Die Bewertungen folgen einer ähnlichen siebenstufigen Skala wie die
der Ratingagenturen: A1 bis A4 entsprechen Investmentgrades, B, C und D
stehen für ein mittleres bis hohes Risiko. Regelmäßig werden 155 Länder
analysiert und bewertet.
Länderratings, Risikoeinschätzung und
Informationen zu Zahlungsausfällen sind gebührenfrei abrufbar unter www.laenderrisiken.de