Wangen im Allgäu, \Dezember 2008 – Angst und Panik regierten bis weit in den
November hinein. Die immer hartnäckiger werdenden Gerüchte um einen möglichen
Konkurs der Citigroup (mit rund 350.000 Mitarbeiter) erinnerten die Anleger wohl
zu sehr an die Situation vor der Lehman-Insolvenz. Die Zukunft des Unternehmens
hing am seidenen Faden, und am Freitag, dem 21. November, war bis spät in den
Abend unklar, ob es die Citigroup am Montag darauf noch als selbstständiges
Unternehmen geben würde. Nahezu sämtliche wichtigen Aktienindices (DowJones,
Eurostoxx usw.) rutschten an diesem Freitag auf neue Jahrestiefs. Der DAX hielt
immerhin die 4.000er Marke vom Oktober, dafür traf es den MDAX und den TECDAX
umso härter. Überhaupt brachen die Technologieaktien im November um rund zehn
Prozent unter die Oktobertiefs. Als die (erneute) Rettung der Citigroup mit
Hilfe einer Kapitalspritze von 20 Milliarden und Bürgschaften von bis zu 306
Milliarden Dollar dann besiegelt war, atmeten die Aktienmärkte tief durch.
Gold wieder im Auftrieb
Allein von jenem Freitag auf Montag
verzeichneten die wichtigsten Indices rund zehn Prozent Gewinn und konnten
diesen bis Ende November auf rund 20 Prozent ausbauen. Bei den wichtigsten
Emerging-Market-Indices (Brasilien, Indien, China, Russland) waren es 25 bis 30
Prozent. Interessanterweise gab es hier im November keine neuen Jahrestiefs
mehr. Goldminenaktien brachten es sogar auf über 50 Prozent Zuwachs, wohlgemerkt
seit dem 20. November. Die immer größer werdenden Rettungs- und Konjunkturpakete
der Industriestaaten, die deren Verschuldung in ungeahnte Höhen katapultieren,
scheinen Gold und damit auch die Goldminenaktien als Papiergeldalternative
wieder stärker in den Fokus der Kapitalanleger zu rücken. Die im Markt
kursierenden Gerüchte, dass sich das offiziell 700 Milliarden Dollar schwere
US-Rettungspaket inoffiziell bereits auf 8.500 Milliarden Dollar summiere,
könnten die jüngste Goldrallye – trotz derzeit sinkender Inflationsraten –
durchaus noch weiter tragen. Der Preis je Feinunze Gold kletterte im November
wieder über 800 Dollar und gewann damit gut zehn Prozent. Sollte sich die
gigantische Zahl von 8.500 Milliarden US-Dollar bestätigen, dürften wir auch den
größten Teil des jüngsten Dollaranstiegs zum Euro gesehen haben. Seit Ende
Oktober konnte sich der Euro bereits von 1,23 auf rund 1,30 zum US-Dollar, aber
auch zum japanischen Yen (von 113 auf 123) und Schweizer Franken (142 auf 155)
wieder deutlich erholen.
Die Devisenmärkte haben sich also etwas
normalisiert, was vor allem am nachlassenden Eindeckungs-Druck von Hedgefonds
und Carry-Tradern liegen dürfte. Gleichzeitig hat der Verkaufsdruck auf den
Emerging-Market-Rentenmärkten im November nachgelassen. Nach dem Kursrutsch im
Oktober, der manchem Rentenfonds bis zu 50 Prozent Verlust einbrachte, hat sich
die Lage wenigstens stabilisiert. Ähnlich sieht es aktuell bei den
Corporate-Bond-Märkten aus. So mancher Schnäppchenjäger kann aktuell von
Notverkäufen schief liegender Hedgefonds und sogar von Privatanlegern à la Adolf
Merckle (Ratiopharm) profitieren, denn nicht jedem wird ein Überbrückungskredit
in Milliardenhöhe von der Landesbank gewährt. Die großteils zweistelligen
Renditen der Emerging-Market- und Corporate-Bonds scheinen zumindest wieder
erste Anleger anzulocken. Die jüngste BMW-Anleihen-Emission war sogar „schon“
bei einer Rendite von knapp neun Prozent überzeichnet. Insbesondere gegenüber
den enorm gesunkenen Staatsanleihenrenditen sind Papiere wie diese durchaus
attraktiv – es sei denn, man glaubt an den „worst case“ – wobei diesem auch
Staatsanleihen bzw. deren Währungen nicht standhalten würden.
Verhaltener
Jahresausblick
Das aktuelle Problem liegt in den geschmolzenen Risikobudgets
der institutionellen Anleger: Sie sitzen alle auf massiven Verlusten und können
sich weitere Abschläge kaum leisten. Dies gilt für Vermögensverwalter, wie für
Versicherungen und viele Pensionskassen. Erst im neuen Jahr sind die
„Performance-Uhren“ wieder auf null gestellt und neue Risikobudgets stehen zur
Verfügung. Eine weitere – zumindest kurzfristige – Bremse sind steuerliche
Verkäufe, wenn im alten Jahr noch Spekulationsverluste realisiert,
Verkaufserlöse aber nicht sofort reinvestiert werden. Ein eventuell
längerfristiges Problem könnte der Rückzug von Geldern aus den Hedgefonds sein,
wobei diese Gelder natürlich genauso gut auch in „normale“ Anlagen fließen
können – dann aber wohl ohne x-fachen Hebel. Auch die Nachrichtenlage mit
Entlassungen, Kurzarbeit und Gewinnwarnungen dürfte die Kursrallye noch einige
Zeit in überschaubaren Bahnen halten – erst im letzten Drittel einer Rezession
steigen die Kurse bekanntlich stärker, wenn die Anleger an die schlechten
Nachrichten bereits gewöhnt sind – und Licht am Ende des Tunnels erscheint. Fürs
erste müssen wir hoffen, dass der aufflackernde Lichtschein nicht von einem
entgegenkommenden Zug stammt, und vielleicht auch an den Märkten endlich die
„staade Zeit“ (so nennt sich die Vorweihnachtszeit in Bayern)
einkehrt.
Helmut Knestel ist Fondsmanager der unabhängigen
Vermögensverwaltung GECAM AG und mitverantwortlich für das Portfoliomanagement
der fünf GECAM Dachfonds. Sein Marktkommentar erscheint monatlich.
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