In Europa infiziert sich jeder zehnte Krankenhauspatient in
der Klinik. Jährlich erkranken mindestens drei Millionen Menschen an so
genannten nosokomialen Infektionen, mehr als 50.000 sterben sogar daran. Allein
in Deutschland infizieren sich pro Jahr zwischen 500.000 und einer Million
Menschen im Rahmen von Klinikenaufenthalten mit Erregern von
Krankenhausinfektionen. Bei Patienten auf Intensivstationen liegt das
Infektionsrisiko sogar bei über 15 Prozent.
Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass die für die Infektion
ursächlichen Bakterien oft mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr zu
bekämpfen sind. So konnten sich "Superbakterien" wie der
multiresistente Staphylococcus aureus (MRSA) entwickeln, welche leicht
übertragbar, schwer zu bekämpfen und die häufigste Ursache für
lebensbedrohliche Infektionen bei Klinikpatienten sind.
Fakten allgemein verständlich
aufbereitet
"Der Medizin ist es bisher nicht gelungen, für dieses brennende Problem
eine befriedigende Lösung zu finden", sagt Michael Wiechmann, Leiter der
Abteilung Leistungs- und Gesundheitsmanagement bei der Allianz Privaten
Krankenversicherungs-AG. "Diese Infektionen sind allein deshalb eine ernst
zu nehmende Gefahr, da sie den Großteil aller Komplikationen im Krankenhaus
ausmachen."
Mit dem Report "Krank im Krankenhaus. Resistente Erreger - eine
schleichende Gefahr für Mensch und Gesundheitssysteme" will die Allianz
einen Beitrag zur Aufklärung leisten. Für die interessierte Öffentlichkeit
wurden die wichtigsten Fakten zusammengetragen und allgemein verständlich
aufbereitet.
Antibiotika oft unnötig eingesetzt
Führende Wissenschaftler wie Professor Axel Kramer, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und Direktor des Instituts für
Hygiene und Umweltmedizin an der Universität Greifswald, Professor Markus
Dettenkofer von der Universität Freiburg, oder Professor J. Glenn Morris von
der Universität Maryland erklären, warum resistente Erreger gefährlich sein
können, aber auch, wie man sich vor ihnen schützen kann. "Es soll dabei
weder Panik geschürt werden, noch sollen die bestehenden Gefahren verharmlost
werden", sagt Michael Wiechmann.
Ursache für die Bildung und Ausbreitung von Resistenzen ist der oft wahllose
beziehungsweise unnötige Einsatz von Antibiotika. "Ein großer Teil davon
ist entbehrlich", so Axel Kramer. "Begünstigt wird die Resistenzentwicklung
durch falschen Einsatz, Unterdosierung sowie zu kurze oder zu lange
Anwendungsdauer."
Die Politik steht in der Pflicht
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene fordert eine gesamtnationale
Präventionsstrategie. Denn auf Grund ihrer gesetzlichen Hoheit legen die
Bundesländer die Umsetzung der Krankenhaushygiene selbst fest. "Nur vier
Bundesländer haben bislang eine Krankenhaushygieneverordnung", sagt Axel
Kramer.
Die Politik müsse endlich das Problem der Krankenhaushygiene in Deutschland
oben auf ihre Agenda nehmen."In Akutkrankenhäusern mit mehr als 450 Betten
brauchen wir hauptamtliche Krankenhaushygieniker und für je 300 Betten muss
eine speziell ausgebildete Krankenschwester für Krankenhaushygiene zur
Verfügung stehen", so Kramer. Außerdem müssten von staatlicher Seite
zusätzliche Kapazitäten für die Ausbildung der Medizinstudenten sowie
Weiterbildungskapazitäten für Fachärzte für Hygiene geschaffen werden.
"Diese Vorgaben müssen gleichzeitig verbindlich in den Hygieneverordnungen
der einzelnen Bundesländer festgeschrieben werden", fordert der Präsident
der DGKH. "Um diese Regelungen auf breiter Basis durchzusetzen, sollten
Krankenkassen schließlich nur noch Verträge mit Krankenhäusern schließen
dürfen, die ein wirksames Qualitätsmanagement für Hygiene etabliert
haben."
Belastung für das Gesundheitssystem
Der dramatische Anstieg der Zahl resistenter und multiresistenter Erreger sowie
die dadurch gestiegenen Infektionsraten belasten das gesamte deutsche
Gesundheitssystem und treiben damit auch die viel diskutierten Lohnnebenkosten
nach oben. Auch wenn die direkten und indirekten Kosten dieses Problems nur
schwer zu quantifizieren sind, so ist der Schaden für die Krankenkassen und
privaten Krankenversicherungen enorm.
Auch für Krankenhäuser wird es immer schwieriger, ohne ein funktionierendes
Risikomanagement an Versicherungsschutz zu kommen. Denn nur noch wenige
Versicherungen schließen Policen mit Krankenhäusern ab. So sind beispielsweise
die Haftpflichtprämien in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Und es
gibt heute bereits Krankenhäuser, die nicht versichert sind.
Prävention ist die beste Medizin
Das Wissen um die Notwendigkeit der Prävention nosokomialer Infektionen ist die
aktuelle Herausforderung. Um das zu erreichen, gehen Krankenhäuser wie zum
Beispiel das Universitätsklinikum Greifswald und die Vivantes Kliniken in
Berlin seit geraumer Zeit neue Wege. Mit der Umsetzung eines so genannten
Multibarrierenkonzepts sind sie Vorreiter in Deutschland.
"Wir schulen das gesamte bei uns beschäftigte Personal umfassend und
achten konsequent darauf, dass die Hygienerichtlinien strikt eingehalten
werden", sagt Professor Claus Bartels, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum
Greifswald. "Gleichzeitig werden bei uns Antibiotika restriktiv und
gezielt eingesetzt."
Krankenhäuser müssen sich für die
Zukunft rüsten
In einer Zeit, in der die Budgetierung der Krankenhausetats Einsparungen
zwingend notwendig macht, bestehen gerade auch bei der Vermeidung nosokomialer
Infektionen und des rationalen Umgangs mit Antibiotika erhebliche Reserven. Die
konsequente Prävention von Infektionen bindet zwar Ressourcen, die aber leicht
durch die Verkürzung der Liegezeit erwirtschaftet werden. Langfristig zahlt
sich ein solches Verhalten also in jedem Fall aus.
"Wir gehen davon aus, dass Krankenhäuser, die den Kampf gegen resistente
und multiresistente Erreger vernachlässigen, langfristig mit negativen
wirtschaftlichen Folgen rechnen müssen", sagt Michael Wiechmann von der
Allianz.
Bei der Einführung eines Risikomanagement-Systems, das ein adäquates
Infektions-Controlling und -reporting sicherstellt, könnten Krankenhäuser auch
von den Erfahrungen der Versicherungsbranche profitieren. Die Versicherungen
verfügen über eine Sammlung von historisch gesicherten Risikodaten und
umfangreiche Erfahrungen beim Prozessmanagement. "In Zukunft werden sich
nur noch diejenigen Häuser am Markt durchsetzen, die die Anforderungen der
Patienten, der einweisenden Ärzte, Krankenkassen, Banken, Versicherungen und
des Gesetzgebers nachhaltig erfüllen", so Wiechmann.
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