Der
AfW ist die berufsständische Interessenvertretung unabhängiger
Finanzdienstleister. Er vertritt die Interessen von über 30.000
Finanzdienstleistern
in mehr als 1.500 Mitgliedsunternehmen sowie eine ständig wachsende
Anzahl von Fördermitgliedern (u.a. Maklerpools, Initiatoren von
Finanzanlageprodukten, Vertrieben, Versicherungen). Mitglieder im AfW
sind Versicherungsmakler und -vertreter, Kapitalanlage-
und Finanzvermittler sowie Finanzdienstleistungsinstitute.
Gern nehmen wir die gebotene Gelegenheit wahr, im Konsultationsverfahren Stellung zu nehmen.
Wir
begrüßen die Durchführung dieses Konsultationsverfahrens. Wir drücken
gleichzeitig unser Bedauern darüber aus, dass die BaFin die
ursprünglich eingelegte Sprungrevision gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. vom
24.10.2011,
welches ganz offensichtlich den Anlass für dieses
Konsultationsverfahren gegeben hat, zurückgezogen hat. Eine
höchstrichterliche Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht
ggf. unter Vorlage zum BVerfG oder dem EuGH hätte die nun auch im
Rahmen des Konsultationsverfahrens aufflammende Diskussion über die
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit abgekürzt.
Das
Provisionsabgabeverbot ist rechtswidrig
Wir
ersparen uns, die Urteilsgründe des Gerichts zu wiederholen. Im
Ergebnis und in der Begründung halten wir das Urteil juristisch für
korrekt, nachvollziehbar und gehen davon aus, dass es auch vor dem
BVerwG Bestand gehabt hätte.
In angemessener Kürze noch ergänzend:
Das
Provisionsabgabeverbot ist ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit
sowie eine staatliche Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit.
Das
seit 1934 geltende Provisionsabgabeverbot ist rechtswidrig, auch nach
geltendem Europarecht im Sinne des EGV. Hierzu beziehen wir
uns auf die Entscheidungen des EuGH „Meng“ und „Ohra“ sowie hierzu
erfolgte Kommentierungen.
Im
Ergebnis der „Meng“- Entscheidung ist eindeutig, dass zumindest im
Lebensversicherungsbereich das Provisionsabgabeverbot unzulässig
ist. Ein Bestehen lassen des Provisionsabgabeverbotes auf alle
Versicherungszweige außer dem Lebensversicherungsbereich wäre jedoch
auch willkürlich und damit ebenfalls unzulässig.
Im Übrigen wird ausdrücklich auf die Sektoruntersuchung der EU-Kommission zu Unternehmensversicherungen (Beschluss v.
13.06.2005) verwiesen, in deren Abschlussbericht es heißt:
„Das
Verbot von Provisionsrabatten durch Versicherer könnte einer
Preisbindung der zweiten Hand gleichkommen und daher eine
Wettbewerbsbeschränkung
darstellen, die nicht unter die Gruppenfreistellung gemäß der
Verordnung über vertikale Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte
Verhaltensweise fallen würde (Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom
22. Dezember 1999).“
Insbesondere
da das Provisionsabgabeverbot rechtswidrig ist, wird sich der AfW nicht
für das Beibehalten des Verbotes in seiner jetzigen
Ausgestaltung einsetzen. Dies wäre absurd. Der AfW wird nicht das
Beibehalten des erkannten Verstoßes gegen geltendes Recht fordern. Das
Provisionsabgabeverbot verstößt gegen Europarecht, Wettbewerbsrecht und
den Bestimmtheitsgrundsatz. Es muss also aufgehoben
werden.
Schon
das Bundeskartellamt hat vor gut 3 Jahren darauf hingewiesen, dass es
die geplanten Wettbewerbsrichtlinie des Verband Deutscher
Versicherungsmakler e.V. (VDVM) nicht genehmigen werde, wenn darin das
Provisionsabgabeverbot in wiedergegebener Form verankert sein würde –
wie es ursprünglich vorgesehen war. Auch die Auffassung des
Bundeskartellamtes sollte insofern nicht unbeachtet bleiben.
Das
Provisionsabgabeverbot ist in Europa einzigartig
Hervorzuheben
ist zudem: Kein europäisches Land hat eine solche Regelung. Trotzdem
gibt es dort zufriedene Versicherungskunden und zufrieden
arbeitende Vermittler und Versicherungen. Kein deutsches Finanzprodukt,
außer Versicherungen, hat eine solche Regelung. Es ist insofern eher
unsachlich und unrealistisch, wenn für die Beibehaltung des
Provisionsabgabeverbotes das Verbraucherinteresse oder
Versicherungs- bzw. Vermittlerinteressen ins Feld geführt werden. In
Einzelfällen werden bei einem Wegfall des Verbotes Kunden sicherlich das
Gespräch über eine Partizipation an der Provision bzw. den
Vertriebskosten führen. Dies wird jedoch keine marktbeeinflussende
Relevanz haben und hat bzw. hatte es auch in anderen europäischen
Ländern oder in Bezug auf andere Finanzprodukte in Deutschland nicht.
Das
Provisionsabgabeverbot steht der Liberalisierung der
Vergütungsmodelle im Wege
Insbesondere
aber steht das Provisionsabgabeverbot einer notwendigen Liberalisierung
bei den Vergütungsmodellen im Weg. Solange es keine
Pflicht der Versicherungsgesellschaften zur alternativen Bereitstellung
von Honorartarifen gibt (alternativ zu den Provisionstarifen), muss es
den Vermittlern möglich sein, dem Kunden eigenständig die Tarife
weitestgehend zu nettoisieren. Schon heute gibt
es Versicherungsgesellschaften, die den Vermittlern Computerprogramme
zur Verfügung stellen, um die Höhe der Provision selbst zu bestimmen,
womit sich gleichzeitig die Versicherungsleistung für den Kunden
verändert. Das ist nichts anderes, als gelebte Provisionsabgabe.
Es
muss und wird zu einer Liberalisierung der Vergütungsmodelle auch bei
der Versicherungsvermittlung kommen. Dabei ist der Wegfall des
Provisionsabgabeverbots nur ein Schritt.
AfW
fordert verpflichtend Nettotarife
Ein
weiterer Schritt muss die Verpflichtung der Versicherungsgesellschaften
sein, für jedes angebotene Versicherungsprodukt auch einen
entsprechenden Nettotarif anzubieten, so dass die Vermittler sinnvoll,
ggf. und wenn beide es wollen mit dem Kunden ihr Honorar direkt
vereinbaren können. Die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen ist ständige
Rechtsprechung des BGH (u.a. Urteil des BGH vom
14.06.2007,
Az.: III ZR 269/06). Das gleichzeitige Anbieten auch von Nettotarifen
ist ohne erheblichen Aufwand für die Versicherungsgesellschaften
machbar. Es ist eine Frage des Wollens
und der Akzeptanz auch dessen, was in Europa teilweise schon Realität
bzw. grundsätzlich erklärter politischer Wille (im Rahmen von IMD 2 und
MiFid 2) ist.
AfW
fordert Mischmodelle bei gebotener Transparenz ohne Informationsflut
Und
noch ein weiterer Schritt muss endlich die Möglichkeit sein, dass zwar
der Kunde die Wahlfreiheit haben soll, aber auch der Vermittler
wählen können muss, ob er sich über Provision bzw. Courtage vergüten
lässt oder aber direkt vom Kunden – auch im Rahmen von sog. und hier
unterstützten - Mischmodellen. Das ganze selbstverständlich bei der
gebotenen Transparenz für den Verbraucher, ohne jedoch
diese Transparenz und die Information(-sflut) zum Selbstzweck werden zu
lassen. Diese Forderung erhebt der AfW seit Jahren und es wird
ersichtlich, dass die Chance zu einer solchen Lösung, die den Interessen
der Verbraucher aber auch der – und das sind mit
Abstand die meisten – kundenorientierten und qualifizierten
Versicherungsvermittler gerecht wird, noch nie so groß war, wie derzeit.
GdV-Vorschlag
wettbewerbswidrig und ein Affront für alle Vermittler
Was
auf keinen Fall geschehen darf, ist die Umsetzung des
wettbewerbswidrigen Vorschlages des Gesamtverbandes der
Versicherungswirtschaft
(GdV) in diesem Zusammenhang. Seitens des GdV wird gefordert, dass das
Provisionsabgabeverbot direkt im VAG geregelt werden. Das Verbot von
Begünstigungsverträgen solle demgegenüber entfallen, da die
Zweckerreichung bereits über das Provisionsabgabeverbot
erfolgen würde.
Ohne
ein derartiges Verbot sei – so der GdV u.a. in seiner Stellungnahme zum
Regierungsentwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des
Versicherungsaufsichtsgesetzes - davon auszugehen, dass
Versicherungsvermittler durch konkrete Angebote von Vergütungsabgaben
den Versicherungsnehmer zu schnellen Vertragsschlüssen animieren.
Es
stünde zu befürchten, dass die Versicherungsnehmer sich dann weniger
von der Qualität der Produkte sowie einer bedarfsgerechten Beratung,
als vielmehr davon leiten lassen, bei welchem Vermittler sie die
höchste Provisionsabgabe erzielen können.
Die
Begründung des GdV übersieht, dass zumindest die Versicherungsmakler
qua Gesetz und letztlich auch durch den BGH in seinem sogenannten
Sachwalterurteil (Urteil v.
22.05.1985, Aktenzeichen: IVa ZR 190/83) bestätigt, als
Vertrauter und Berater des Kunden individuellen, für das betreffende
Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen hat.
Deshalb sei der Versicherungsmakler – so der BGH -
anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler dem ihm durch einen
Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber
üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten
Versicherungsvertrages verpflichtet.
Dem
entspreche – so der BGH weiter - , dass der Versicherungsmakler von
sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den VN als
seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für
ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das
aufgegebene Risiko zu platzieren, zu unterrichten habe. Wegen dieser
umfassenden Pflichten sei der Versicherungsmakler für
den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Kunden
als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter zu bezeichnen. Das gelte – so
der BGH - trotz der bestehenden Übung des Versicherungsvertragsrechts,
wonach die Provision der Versicherungsmakler
vom Versicherer getragen wird.
Letztlich
beinhaltet der GdV- Vorschlag, dass es ausschließlich
Versicherungsvermittlern nach § 59 Abs. 1 VVG untersagt sein soll,
Provisionen,
Courtagen oder sonstige Vergütungen, die sie
für die Vermittlung von Versicherungsverträgen erhalten, oder Teile
davon mittelbar oder unmittelbar an Personen abzugeben, die an
den von ihnen vermittelten oder betreuten Versicherungsverträgen
beteiligt sind. Eine Geschenkzugabe, Gutscheine, Rabattierung oder
ähnliches durch die Versicherungsgesellschaften direkt oder indirekt
soll ganz offensichtlich möglich sein – und wird heute
auch schon gelebt. Dieser wettbewerbsverzerrende Vorschlag des GdV ist
ein Affront gegen alle Vermittler (Makler und Vertreter), ein Versuch
insbesondere die unabhängigen Makler aus dem Markt zu drängen und hat
mit fairem Wettbewerb und dem Interesse der Verbraucher
und Vermittler nichts zu tun.
Gesetzgeber
muss für Gleichbehandlung der Marktteilnehmer sorgen
Sollte
es zu einer – wie auch immer gearteten - sinngemäßen Beibehaltung oder
Neugestaltung des Provisionsabgabeverbotes kommen, ist
eine Gleichbehandlung von Versicherungsgesellschaften, Vertrieben und
Vermittlern unabdingbar. Hier wäre dann aus Sicht des AfW ganz klar der
Gesetzgeber (ggf. tatsächlich im Rahmen einer Novellierung des VAG)
gefragt und – bei allem Respekt - nicht die BaFin.
Der
AfW steht jederzeit für ergänzende Ausführungen zu dieser Stellungnahme
oder einzelnen Punkten hieraus sowie insgesamt im Rahmen
dieses Prozesses zu Verfügung.
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