Köln, Dezember 2008. Die deutschen Zivilgerichte müssen sich am häufigsten mit
Nachbarschaftsstreitigkeiten rumschlagen: Sage und schreibe eine halbe Million
Prozesse fechten Nachbarn pro Jahr in Deutschland nach Angaben der
Anwaltsverbände aus. Diese enorme Klagefreudigkeit wird von 64 Prozent der
Bundesbürger allerdings erheblich verkannt. Sie schätzen die Zahl der jährlichen
Prozesse auf maximal 400.000. Das ergab eine repräsentative Umfrage von forsa im Auftrag der
ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG. „Die Wohnung, das eigene Zuhause hat für
viele Bürger in unserem Land einen extrem hohen Stellenwert. Das erhöht die
Bereitschaft, Konflikte vor dem Kadi auszutragen“, sagt Gerhard Horrion,
Vorstandsvorsitzender der ROLAND
Rechtsschutz-Versicherungs-AG.
Bei
Handgreiflichkeiten schalten fast alle einen Anwalt ein
Überhängende Äste, häufiger Lärm, im Treppenhaus spielende Kinder
– Nachbarn brechen in Deutschland schnell einen Streit vom (Garten-)Zaun. Selbst
Kleinigkeiten schaukeln sich mitunter zu einer wahren Nachbarschaftsfehde mit
jahrelangen Sticheleien auf. Endgültig hört der Spaß für alle Menschen in
Deutschland auf, wenn der Nachbar handgreiflich wird oder Derartiges zumindest
androht. So gaben 79 Prozent der Befragten an, dass sie dann in jedem Fall oder
zumindest wahrscheinlich rechtliche Schritte einleiten würden. Bei der
Missachtung von Grundstücksgrenzen (49 Prozent) und dauerhafter Lärmbelästigung
(45 Prozent) würde beinahe noch jeder Zweite so vorgehen. Haushalte mit Kindern
unter 18 Jahren reagieren auf Lärm beispielsweise durch Hundegebell, Musik oder
die Missachtung von Ruhezeiten – wenig überraschend – deutlich gelassener: Sie
würden in diesem Fall nur zu 36 Prozent den Weg über einen Anwalt gehen, während
es bei den Kinderlosen immerhin knapp die Hälfte (49 Prozent) ist.
Auseinandersetzungen um Außenanlagen (16 Prozent), sehr neugierige Nachbarn (15
Prozent) und starke Geruchsbelästigung beispielsweise durch Zigarettenrauch oder
Grillen (13 Prozent) wären nur für wenige Bürger ein Grund, rechtliche Schritte
einzuleiten.
Letzter Ausweg:
Knapp ein Drittel würde vor Gericht ziehen
Wie bedeutend die persönlichen vier Wände für die Menschen sind,
zeigt auch die Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen – sprich im Streit mit
dem Nachbarn sogar Klage bei Gericht einzureichen. Knapp ein Drittel der
Befragten (31 Prozent) würde diesen Weg bei den genannten Gründen letztendlich
einschlagen. Frauen präsentieren sich in diesem Punkt deutlich
konsensorientierter: Von ihnen würden nur 26 Prozent bis vor Gericht ziehen –
bei den Männern sind es 36 Prozent.
Rechtsrisiko deutlich unterschätzt
Die aktuelle Wohnsituation betrachtet, müssten Anwälte und
Gerichte eigentlich von deutlich weniger Arbeit aufgrund von
Nachbarschaftsstreitigkeiten ausgehen. Hat der Großteil der Befragten derzeit am
persönlichen Wohnumfeld doch nichts auszusetzen: 73 Prozent gaben an, dass sie
sich momentan nicht von Lärm, neugierigen Nachbarn, Auseinandersetzungen um
Außenanlagen, Missachtung von Grundstücksgrenzen, Rücksichtslosigkeit bei
Bautätigkeiten oder starker Geruchsbelästigung gestört fühlen. „Das kann sich
leider schnell ändern, denn die Erfahrung lehrt: Wo Nachbarn sind, gibt es immer
auch Anlässe für Streit. Nicht selten sind es Kleinigkeiten, die sich zu
handfesten Auseinandersetzungen hochschaukeln. Wir erwarten daher auch keine
Entspannung an den Gerichten“, sagt Gerhard Horrion.
Anzeige