Das Geschäftsklima der Versicherungsbranche in Deutschland und der Schweiz ist
erstmals seit zwei Jahren von einer negativen Gesamtstimmung geprägt. In der
zweiten Jahreshälfte 2006 sank der Anteil der optimistischen Einschätzungen um
36 Prozent. Insbesondere deutsche Versicherer beklagen eine eingetrübte
Stimmungslage. Dies ist das Ergebnis der Studie „Insurance Trend“ von Steria
Mummert Consulting, die in Kooperation mit der Fachzeitschrift
„Versicherungsmagazin“ durchgeführt wurde.
Seit Beginn des zweiten
Halbjahres 2006 hat sich die Stimmung in der Versicherungsbranche
verschlechtert. Damit wiederholt sich ein Trend, der bereits 2005 zu beobachten
war: In der Zeit von Mai bis September 2005 hatte die Anzahl der positiv
gestimmten Führungskräfte um 29 Prozent abgenommen. In der Folge hellte sich die
Stimmung wieder auf, bevor ein erneuter Stimmungsabschwung einsetzte: So
berichteten im Mai 2006 noch mehr als 64 Prozent der Befragten von einer
verbesserten Grundstimmung, im November taten dies nur noch knapp 41
Prozent.
Als wesentlichen Grund für die Stimmungsschwäche in der zweiten
Jahreshälfte vermuten Experten enttäuschende Vertriebsergebnisse. „Häufig
startet der Vertrieb mit hohen Erwartungen in das neue Jahr und reagiert
entsprechend enttäuscht, wenn sich die Zahl der Vertragsabschlüsse nicht so
entwickelt wie erhofft“, sagt Jürgen Wulf, Versicherungsexperte bei Steria
Mummert Consulting. Diese Einschätzung wird von der Tatsache gestützt, dass 64
Prozent der im Rahmen der Studie befragten Topentscheider direkt oder indirekt
dem Vertriebsbereich zugeordnet sind.
Auffällig ist, dass die Stimmung
der ausländischen Versicherer in den letzten zwei Jahren deutlich besser als bei
den deutschen Wettbewerbern war. Der Dreiländervergleich von Deutschland,
Österreich und der Schweiz zeigt, dass vor allem die Schweizer Topentscheider
von einer deutlich besseren Grundstimmung in der Branche berichten. Allerdings
hat sich auch diese gegenüber Mai 2006 abgeschwächt. Auf einer Skala von -3
(verschlechtert) bis +3 (verbessert) erreicht die Schweiz im November 2006 einen
Mittelwert von 0,93. Deutschland weist hingegen einen negativen Wert von -0,49
auf. Dadurch ist erstmals seit Beginn der Erhebungen im Juli 2004 die
Gesamtstimmung leicht negativ (-0,01). Sechs Monate vorher lag dieser Wert noch
bei +0,69.
Allerdings sind nicht alle Sparten in gleicher Weise
betroffen. So stellen sich die Marktaussichten für das erste Halbjahr 2007 im
Lebensversicherungs- sowie Nicht-Lebensversicherungsgeschäft weiterhin positiv
dar, wenn auch mit stark sinkender Tendenz. Die Marktaussichten im
Krankenversicherungsbereich werden dagegen erstmals negativ eingestuft: Im
November 2006 lag das Stimmungsbarometer bei einem Wert von -0,13. Eineinhalb
Jahre zuvor lag die Bewertung noch bei +0,35, verlor aber in der Folge stetig an
Wert. Vor allem die Gesundheitsreform dürfte maßgeblich zu den unsicheren
Marktaussichten beigetragen haben.
Für einen zusätzlichen Negativeffekt
sorgt die weitere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, die zu rückläufigen
Neukundenzahlen bei den privaten Krankenversicherern führen wird. Für einen
Wechsel in die private Krankenversicherung muss das Einkommen künftig drei Jahre
hintereinander über 47.700 Euro liegen. Damit hat sich die
Beitragsbemessungsgrenze gegenüber 2006 um 450 Euro erhöht. Zudem sieht die
Gesundheitsreform vor, dass alle bislang nicht versicherten Bürger einen
Anspruch auf Krankenversicherungsschutz erhalten. Dadurch könnte das
Kostenrisiko der Versicherer ansteigen. So können sich Personen ohne
Versicherung, die früher in der privaten Krankenversicherung (PKV) waren oder
dieser zuzuordnen sind, in einem neuen Basistarif der PKV versichern.
Risikozuschläge sind nicht erlaubt und es darf niemand abgelehnt werden, der
sich im Basistarif versichern will. Dazu gehören Selbstständige, die sich nach
einer Pleite nicht weiter privat versichern und nicht mehr in die gesetzliche
Krankenversicherung zurückkonnten.
Ein Trend, der alle Versicherer
gleichermaßen erfasst, sind steigende Aufwendungen für die Kundenbindung in den
nächsten zwölf Monaten. Wie schon in den Jahren zuvor rechnen die
Umfrageteilnehmer hier mit höheren Ausgaben, um der Wechselbereitschaft der
Kunden entgegenzuwirken. Zudem erwartet die Branche größere Budgets für
Marketing und Kommunikation. Auch eine Ausweitung des Produktangebotes sowie
Investitionen in Informationstechnologien werden im Laufe des Jahres 2007
mehrheitlich angestrebt. Dagegen hat sich die Tendenz zum Ausbau des eigenen
Vertriebs abgeschwächt. Gegenüber Mai 2006 sank der Mittelwert um 33 Prozent und
liegt damit bei 0,48. Die Konsolidierung bleibt ebenfalls ein Thema. Fast 39
Prozent der Befragten rechnen mit einer sinkenden Zahl von Mitarbeitern
innerhalb der nächsten zwölf Monate. Damit sinkt der Mittelwert von -0,21 im Mai
2006 auf aktuell -0,27.
Dass die Versicherungsbranche mitten in der
Konsolidierungsphase steckt, lässt sich auch daran erkennen, dass Maßnahmen zur
Senkung der operativen Kosten stark an Bedeutung gewonnen haben. Mit einer
Zustimmung von 70 Prozent bleibt allerdings die Kundenbindung die wichtigste
Herausforderung für die Entscheider. Maßnahmen zur Senkung von Schadenquoten
sowie der Ausbau strategischer Partnerschaften haben hingegen für die
Führungskräfte stark an Priorität verloren. In beiden Fällen betrug der Rückgang
mehr als 30 Prozent.
Die aktuelle Studie „Insurance Trend“ von Steria
Mummert Consulting wurde im November 2006 in Kooperation mit der Fachzeitschrift
„Versicherungsmagazin“ erstellt. 126 Fach- und Führungskräfte aus der
Versicherungsbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden befragt.
Die Befragung „Insurance Trend“ wird regelmäßig durchgeführt, um Branchentrends
kontinuierlich erfassen zu können. Die Ergebnisse bilden das aktuelle
Geschäftsklima der Versicherer ab.
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