Chef der GKV: Systemkollaps ist gewollt - Ziel ist die Bürgerversicherung

In einem Interview mit der Berliner Zeitung beschrieb Ralf Hermes, Vorstand der IKK Innovationskasse, die aktuelle Situation der GKV am Beispiel seines Unternehmens. Sein Fazit: „Das jetzige Solidarprinzip können wir uns nicht mehr leisten“.

Kritisch blickt der Kassenchef in die Zukunft der Krankenkassen. Er warnt vor einem Kollaps des Systems: „Das System kollabiert“. Er geht davon aus, dass der aktuelle Kostendruck zu Insolvenzen und Fusionen unter den 95 Krankenkassen führen wird, wenn jetzt keine tiefgreifenden Reformen umgesetzt werden. Aus seiner Sicht fahren die Krankenkassen „auf der Felge“, ein Zustand, der von der Politik gewollt sei, die den Kassen ihr Vermögen einfach entziehe.

Soll die Gesellschaft einen verfehlten Lebensstil mitfinanzieren?

Aus seiner Sicht steckt hinter der Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach der langfristige Plan, eine Bürgerversicherung einzuführen. Hermes kritisiert diesen Ansatz jedoch, er sieht das jetzige System bereits als eine Art Bürgerversicherung. Jetzt nur neues Geld in das System zu pumpen, ohne strukturelle Änderungen vorzunehmen, ändere daran nichts. Insbesondere Lauterbachs Reformen, wie z.B. die Krankenhausreform, seien zu teuer und unzureichend, sie würden die eigentlichen Probleme nicht lösen.

Interessant ist sein Beispiel der Vermögensabschöpfung durch den Staat: Dies betraf finanzstarke Krankenkassen, deren Rücklagen von den Ministern Spahn und Lauterbach teilweise eingezogen wurden. Ziel war die Umverteilung der Finanzmittel im Gesundheitssystem. Bei der IKK Innovationskasse wurden so insgesamt rund 30 Millionen Euro abgeschöpft. Dieser Verlust an Rücklagen führte bei den kleinen Kassen zu massiven finanziellen Schwierigkeiten und zwangsläufig zur Erhöhung der Zusatzbeiträge. Da die Krankenkassen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, kann der Staat jederzeit auf ihr Vermögen zugreifen.

Die Argumente des Krankenkassenchefs:

Steigende Zusatzbeiträge

  • Die Beitragssätze müssen erhöht werden, um den aktuellen finanziellen Anforderungen gerecht zu werden

Eigenverantwortung stärken

  • Wahltarife mit Selbstbehalt und Beitragsrückerstattung könnten das System entlasten und den Zugang zu Fachärzten verbessern

Entlastung durch Bürokratieabbau

  • Fachärzte leiden unter der Bürokratie, die durch Wahltarife abgebaut werden könnte, was auch zu schnelleren Facharztterminen führen würde

Solidarprinzip hinterfragen

  • Das Solidarprinzip in seiner jetzigen Form bietet keine Anreize zur Prävention und finanziert Fehlverhalten wie ungesunde Lebensweise
  • Teure chronische Krankheiten entstehen auch durch einen ungesunden Lebensstil.​​​

Gesundheitsfonds löst Probleme nicht

  • Der Gesundheitsfonds hat Liquiditätsprobleme und zahlt Gelder teilweise verspätet aus, was die finanzielle Situation der Krankenkassen zusätzlich verschärft

Geld im System ist falsch verteilt

  • Die Finanzmittel im Gesundheitssystem sind an sich ausreichend, werden aber falsch verteilt und ineffizient eingesetzt.

Wettbewerb unter den Krankenkassen fördern

  • Ein echter Wettbewerb zwischen den Krankenkassen wird durch die Vielzahl der Kassen und deren Verwaltungsapparate behindert. Fusionen könnten den Wettbewerb stärken

Kommentare

am 06.09.2024 um 14:03:50

Wofür braucht Deutschland über Einhundert gesetzliche Krankenkassen mit eigenen Verwaltungen und Vertrieben mit annähernd gleichen Leistungen?

Michael Hillmann am 06.09.2024 um 14:12:23

Über den großen weißen Elefanten im Raum – nämlich, dass für Bürgergeldempfänger nur der halbe Krankenversicherungsbeitrag gezahlt wird, und das auch nur auf Basis des Mindestbeitrags, der 2022 bei etwa 109 Euro monatlich lag – spricht niemand. Warum?! Es offenlegen, dass die staatlichen Beiträge zur Krankenversicherung für Bürgergeldempfänger keineswegs ausreichen und ein erhebliches Problem für alle gesetzlich versicherten Arbeitnehmer darstellen. Die rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger (Stand 2024! - steigende Tendenz), von denen mindestens 50 % einen Migrationshintergrund haben, verursachen so eine erhebliche Unterfinanzierung. Diese Lücke muss durch Leistungseinschränkungen und steigende Beiträge, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden, querfinanziert werden. Doch aus Gründen politischer Korrektheit wird dieses Thema vermieden – stattdessen diskutiert man lieber darüber, wie die Beitragszahler noch stärker zur Kasse gebeten werden können. Ein Gutachten im Auftrag des GKV-Spitzenverbands zeigt: Der Beitrag für die rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger müsste im Jahr 2024 bei etwa 350 Euro pro Monat liegen. Es ist daher die Aufgabe des Sozialstaats, die medizinische Versorgung im Bürgergeldbezug abzusichern, anstatt diese Last allein den Beitragszahlern aufzubürden.

am 09.09.2024 um 11:34:38

Danke @Michael Hillmann - ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Darüber hinaus fänd ich die Abschaffung der Beihilfe* noch eine sinnvolle Ergänzung sowie Reduzierung dieser absurden Vielzahl an Krankenversicherungen.

Rolf-Peter Falk am 10.09.2024 um 18:32:28

Lieber Michael, meines Wissens ist die Beihilferegelung für Beamte immer noch billiger als die GKV und hat ein wesentlich besseres Leistungsniveau. Eine Abschaffung wird garantiert nichts bringen. Das weiß ich ganz sicher. Warum erwähnt niemand die miserablen Leistungen der GKV bei vielen Leistungsarten?