Die WirtschaftsWoche berichtet über Milliardenausgaben der Rentenversicherung, die eigentlich der Staat finanzieren müsste. Seit 1957 fehlen fast eine Billion Euro in der Kasse. Mit den neuen Plänen drohen Beiträge von über 19 Prozent - schon 2027.
Während die Beitragszahler steigende Abgaben befürchten müssen, belastet der Bund das System mit versicherungsfremden Leistungen in Milliardenhöhe. Ein finanzpolitischer Interessenkonflikt mit weitreichenden Folgen.
Belastung durch versicherungsfremde Leistungen
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte im Jahr 2023 Ausgaben in Höhe von rund 374 Milliarden Euro. Das entspricht etwa zwei Dritteln des für 2025 geplanten Bundeshaushalts. Obwohl der Bund jährlich Zuschüsse in die Rentenkasse zahlt, belastet er das System gleichzeitig mit Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft der Rentenversicherung gehören.
Unter dem Begriff "Versicherungsfremde Leistungen" fasst die DRV verschiedene Ausgabenposten zusammen, die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellen. Dazu zählen unter anderem die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Sonderregelungen bei Erwerbsminderungsrenten oder die Renten für Spätaussiedler. Je nach Detaillierung belaufen sich diese Leistungen im Jahr 2020 auf 63 bis 112 Milliarden Euro.
Finanzierungslücke in Milliardenhöhe
Das Problem: Der Bund erstattet diese Kosten nicht vollständig. Im schlimmsten Fall klafft 2020 eine Finanzierungslücke von 37 Milliarden Euro. Der Rentenexperte Fritz Teufel beziffert den kumulierten Aderlass seit Einführung der dynamischen Rente 1957 bis 2022 auf insgesamt 988,7 Milliarden Euro.
Die FDP-Politikerin und Rentenexpertin Anja Schulz kritisiert die bisherige Praxis: "Es widerspricht meinem Verständnis von Schuldenbremse, wenn Kosten in die Sozialversicherungen verlagert werden." Sie fordert, die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung herauszulösen und vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren.
Neue Belastungen durch Koalitionspläne
Die neue Bundesregierung aus Union und SPD plant unterdessen weitere potenzielle Belastungen für die Rentenkasse. Der Koalitionsvertrag sieht sowohl die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent als auch die Ausweitung der Mütterrente vor. DRV-Präsidentin Gundula Roßbach warnt: "Die Ausweitung der Mütterrente kostet fünf Milliarden Euro pro Jahr, aber zur Finanzierung steht nichts im Sondierungspapier." Bei einer alleinigen Finanzierung durch die Rentenkasse würde der Beitragssatz um 0,25 Prozentpunkte steigen. "Dann würden wir schon im Jahr 2027 bei einem Beitragssatz von mehr als 19 Prozent landen."
Die aktuelle Praxis führt dazu, dass Gruppen, die nicht in den Rententopf einzahlen – wie Freiberufler, Privatpersonen und die wachsende Zahl der Rentner selbst – sich der Solidarfinanzierung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben entziehen können. Dies verstärkt die Belastung der ohnehin schrumpfenden Gruppe der Beitragszahler zusätzlich.
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