Konsolidierungswelle im Maklermarkt: Während es 2017 noch etwa zehn Käufe pro Jahr gab, waren es fünf Jahre später bereits 90 und im darauffolgenden Jahr sogar 120.

Simon Röwer
Vorstand der Gothaer, Leiter Maklervertrieb Unternehmerkunden Komposit bei der Barmenia
Simon Röwer, Vorstand der Gothaer und Leiter Maklervertrieb Unternehmerkunden Komposit bei der Barmenia, erklärt im Digital Insurance Podcast die Hintergründe und Konsequenzen dieser Entwicklung.
Und mit einem Augenzwinkern kommentiert Röwer die Fusion zur Barmenia Gothaer, durch die der Konzern in die Top Ten der Branche aufgestiegen ist: "Tatsächlich haben wir natürlich auch schon unsere nächsten "Opfer" ins Auge gefasst. Nein, Spaß beiseite..."
Die treibenden Kräfte hinter der Konsolidierung
Der demografische Wandel ist einer der Hauptgründe für den Konsolidierungstrend: "75 Prozent der Versicherungsmakler sind zwischen 55 und 70 Jahren alt", erklärt Röwer. Der dadurch entstehende Bedarf an Nachfolgelösungen kann kaum gedeckt werden.
Weitere Faktoren sind die zunehmenden regulatorischen Anforderungen sowie Digitalisierungs- und Synergiepotenziale. Kleinere Maklerhäuser können die notwendigen Investitionen oft nicht alleine stemmen. Für Investoren wiederum ist das Geschäftsmodell attraktiv: "Courtage-Erlöse sind total stabil, grundsätzlich ein resilientes Geschäft, also nicht so konjunkturabhängig das Versicherungsgeschäft, relativ geringe operative Fixkosten, hoher Cashflow."
Nicht die Größe zählt, sondern die Professionalität
Für Versicherer ist die Konsolidierung eine Herausforderung, aber kein Grund zur Panik. "Für uns ist tatsächlich nicht so entscheidend, wie groß ein Partner ist. Für uns ist es eher wichtig, wie professionell arbeitet ein Partner", betont Röwer. Professionalität bedeutet für ihn, dass ein Makler sowohl die Versichererperspektive versteht als auch die Kundeninteressen vertritt.
Größere Maklergruppen bedeuten allerdings nicht weniger Arbeit für den Versicherer: "Teilweise sind sie vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt zumindest sogar noch mehr Arbeit." Die Betreuungsstrukturen müssen angepasst werden, da neben der Gesamtgruppe weiterhin die einzelnen Häuser und regionalen Einheiten betreut werden müssen.
Simon Röwer, der einen Master of Arts und MBA in internationalem Management und interkultureller Kommunikation hält und Teile seines Studiums in den USA und China absolvierte, begann seine Karriere 2013 bei der Gothaer als Trainee und Vorstandsassistent, bevor er 2017 zur Unternehmensberatung Accenture wechselte. Nach seiner Rückkehr zur Gothaer im Januar 2023 als Leiter des Geschäftsfelds Komposit Privatkunden übernahm er am 01.01.2025 als Vorstand der Gothaer Vertriebs-Service AG und Leiter des Bereichs Partnervertrieb Komposit die Nachfolge von Dr. Max Weinhold.
Spezialisierung als Erfolgsfaktor
Ein besonders wichtiger Aspekt, den Röwer hervorhebt, ist die zunehmende Bedeutung von Spezialisierung im Markt. Während im Privatkundensegment und zunehmend auch im kleineren Gewerbebereich Standardisierung und Preistransparenz durch Vergleichsportale zunehmen, bleibt im Bereich komplexer Industrie- und Gewerberisiken die individuelle Expertise unverzichtbar.
"Aus meiner Sicht haben wir aber weiterhin ein Layer an Spezialgeschäft obendrüber, an wirklich Spezialisten, Experten, die miteinander sprechen, wenn es um komplexe Risiken geht." In diesem Segment wird die menschliche Expertise laut Röwer auch zukünftig gefragt sein.
Die wachsende Rolle der Assekuradeure
Parallel zur Maklerkonsolidierung gewinnen Assekuradeure an Bedeutung. Während sie früher hauptsächlich in Spezialbereichen wie Cyber-Versicherungen aktiv waren, um spezielle Skills und Kapazitäten zu bündeln, dringen sie nun auch ins Standardgeschäft vor.
Assekuradeure übernehmen Tätigkeiten wie Underwriting und Schadenbearbeitung und stehen rechtlich auf der Seite des Versicherers. Für Maklergruppen bieten sie die Möglichkeit, Komplexität zu reduzieren und mehr Wertschöpfung zu behalten. Für Versicherer bedeutet dies jedoch, dass sie einen Teil ihrer Marge abgeben müssen.
Röwer betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und transparenten Gestaltung der Zusammenarbeit mit Assekuradeuren: "Wir müssen mit jedem Assekuradeur abstimmen. Wie sehen ganz konkret die Prozesse aus, die wir gemeinsam gestalten? Wir müssen das auch aufschreiben, transparent machen und wir müssen das auch in der Zusammenarbeit regelmäßig kontrollieren."
Das Kerngeschäft der Versicherer bleibt unverzichtbar
Trotz dieser Entwicklungen sieht Röwer das Kerngeschäft der Versicherer nicht in Gefahr. "Der Kern unseres Geschäftsmodells heute ist ja die Bewertung und die Tragung komplexer Risiken. Wir kommen ja viel über die Bilanz. Und das steht aus guten Gründen bei Assekuradeuren heute nicht im Fokus."
Die Fähigkeit, Risiken richtig einzuschätzen und zu tragen, ist nicht leicht zu replizieren. Versicherer verfügen über die Organisationen, die Risiken besichtigen und bewerten können, sowie über die nötige Eigenkapitalausstattung, um auch Großschäden verkraften zu können.
Röwer weist auch darauf hin, dass die Margen im deutschen Sachversicherungsmarkt im internationalen Vergleich ohnehin dünn sind: "Wenn kein Geld da ist, dann wird keiner verdienen, über kurz oder lang. Egal, wer welches Element der Wertschöpfung betreibt."
Zukunft der Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Maklern
Im Podcast wird auch die Frage diskutiert, ob Versicherer selbst in den Maklermarkt einsteigen sollten, um ihre Position zu sichern. Röwer sieht durchaus Chancen in der Weiterentwicklung eigener Assekuradeur-Modelle, wie beispielsweise der Adcuri, die die Barmenia in die Fusion eingebracht hat. Diese können besonders für kleinere Partner attraktiv sein.
Dennoch bleibt die Kernkompetenz der Versicherer - die Bewertung und Tragung komplexer Risiken - ihr wichtigstes Asset im Wettbewerb, besonders im komplexen Industrie- und Gewerbesektor.
Anpassungsfähigkeit ist gefragt
Die Konsolidierung im Versicherungsmaklermarkt und die wachsende Bedeutung von Assekuradeuren stellen Versicherer vor neue Herausforderungen, bieten aber auch Chancen. Um darauf zu reagieren, müssen sie laut Röwer ihre "Steuerungsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit mit solchen Modellen verbessern". Dazu gehören Digitalisierung, bessere Service-Elemente und eine angepasste Betrachtung von Business-Cases. Die Herausforderung besteht darin, die Kernkompetenz im Risikomanagement mit einer erhöhten Flexibilität im Umgang mit den sich verändernden Marktstrukturen zu kombinieren, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
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