Variable Annuities

Unter dem Begriff Variable Annuities werden in den USA fondsgebundene Rentenversicherungsprodukte verstanden. Auch in Deutschland wird ein solches fondsgebundenes Rentenversicherungsprodukt angeboten, das die ausgesprochenen Garantien über eine Hedgingstrategie mittels Finanzderivaten absichert. Ein Garantiefonds ist nicht in das Produkt inkorporiert. Bei Variable Annuities gilt grundsätzlich, dass der Versicherer der Garantiegeber ist. In Deutschland sind die Variable Annuities an den nationalen Markt angepasst und ermöglichen auch laufende Beitragszahlungen, nicht nur Einmalzahlungen. Die nachfolgende Analyse bezieht sich auf die in den USA angebotenen Variablen Annuities.

Variable Annuities sollen den Versicherungsnehmern den Vorteil einer möglichen hohen Rendite der Fondsgebundenen Lebensversicherung in Kombination mit zusätzlich frei wählbaren Garantieelementen bieten. Variable Annuities sind also Rentenversicherungen mit fondsgebundener Ansparphase, die der Versicherungsnehmer um flexible und individuell berechnete Garantien ergänzen kann. Die Garantien können bei fast allen angebotenen Fonds eingeschlossen werden. Diese Produkte haben sich in den letzten Jahren zum marktführenden Rentenversicherungsprodukt in den USA entwickelt. Besondere Merkmale sind die hohe Liquidität durch Zugriffsmöglichkeit auf das Fondsvermögen zu jeder Zeit sowie eine garantierte Auszahlung im Todesfall. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Versicherungsnehmer in der Praxis häufig nicht planen, die Rente zu beziehen, sondern stattdessen das Kapitalwahlrecht auszuüben. Die nachgelagerte Besteuerung in den USA, sowie die steuerliche Möglichkeit, bei einem Wechsel des Fonds die Zinsen, Dividenden und Kursgewinne steuerfrei zu vereinnahmen, haben dazu geführt, dass die Versicherungsnehmer Variable Annuities im Wesentlichen als eine Möglichkeit betrachten, steuerbegünstigt in Investmentfonds zu investieren. Anstatt des Bezugs einer lebenslangen Rente ist auch die Möglichkeit eines Entnahmeplans vorhanden.

Die Garantien sind Zusatzoptionen des Produkts und können unabhängig von den selektierten Fonds gewählt werden. Die Kosten für diese Garantien werden aus dem Fondsvermögen ähnlich einer Managementgebühr entnommen. Jede der nachfolgend dargestellten Garantien kostet jährlich zwischen ca. 0,3 % bis ca. 0,7 % des Fondsvermögens. Die Garantiegebühren werden in derivative Finanzinstrumente investiert, welche das sog. Hedge Portfolio bilden. DieGarantiekostensätze sind abhängig von den gewählten Fonds, bleiben aber in der Regel konstant, solange der Fonds nicht gewechselt wird.

Die konstanten Garantiekostensätze stellen für den Versicherungsnehmer einen großen Vorteil dar, bergen für das Versicherungsunternehmen jedoch ein entsprechend hohes Risiko. Ursache hierfür ist, dass im Rahmen des Hedgings der Garantien keine Finanzprodukte mit einer entsprechenden Laufzeit an den Kapitalmärkten vorhanden sind. Daher muss ein periodischer Kauf neuer Finanzderivate erfolgen, was regelmäßig unter der Annahme unveränderter Derivatepreise in das Produkt einkalkuliert wird. Die gefährliche Kalkulationsannahme besteht also darin, dass davon ausgegangen wird, dass die aktuellen Marktpreise auch für die Zukunft gelten. Gerade Derivate reagieren jedoch gegenüber Marktpreisänderungen besonders sensitiv. Das Marktänderungsrisiko wird somit zumindest teilweise ausgeblendet. Die Grundannahme, dass die zum Hedgen notwendigen Derivate auch künftig zum kalkulierten Preis zu erwerben sind, dürfte in der Realität leicht verletzt sein. Des weiteren wird davon ausgegangen, dass nur ein gewisser Anteil der Optionen tatsächlich ausgeübt wird und somit die Garantien nur für diesen Anteil der Versicherungsnehmer geleistet werden müssen. Insofern wird mit der Garantiegebühr nur ein Teil der Garantien ausfinanziert.

Folgende Garantien sind bei Variable Annuities wählbar:

- Guaranteed Minimum Death Benefit (GMDB):

Zusätzlich zu der garantierten Todesfallleistung in Höhe der eingezahlten Beiträge kann eine zusätzliche Todesfallleistung eingeschlossen werden. Dies kann z. B. durch den sog. „Rollup“ geschehen, welcher die Todesfallleistung um die vertraglich vereinbarte Prämienverzinsung mittels der sog. Rollup Rate erhöht. Die zweite Möglichkeit ist der sog. „Ratchet“, bei welchem die Todesfallleistung zu jedem Policenverfalltag auf den Wert des Fondsvermögens dauerhaft nach oben angehoben wird. Die dritte Möglichkeit besteht in einem „Reset“, bei welchem zu jedem Policenverfalltag die Todesfallleistung auf das aktuelle Fondsvermögen angepasst wird, jedoch bei fallenden Fondskursen auch wieder nach unten angepasst werden kann.

Da die Garantiekosten in Prozent des Fondsguthabens angesetzt sind, wird bei einem hohen Fondsstand eine hohe Gebühr verlangt. Genau in diesem Fall entspricht die Todesfallleistung (Maximum aus Fondsguthaben und garantierter Todesfallleistung) dem Fondsguthaben und die Garantie ist wenig wert, da sie „aus dem Geld“ ist. Insofern sind die Garantiekosten nicht wirklich verursachungsgerecht, sondern eher pauschal kalkuliert. Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass die Todesfallgarantien durch hohe Gewinnmargen über ihrem fairen Preis angeboten werden.

- Guaranteed Minimum Accumulation Benefit (GMAB):

Durch diese Garantie wird gewährleistet, dass das Fondsvermögen zu bestimmten Zeitpunkten – z. B. in einem 10-Jahresrhythmus – einen bestimmten Wert nicht unterschreitet. Auch diese Garantie kann wiederum durch Rollup, Ratchet oder Reset ausgestaltet werden, zusätzlich gibt es die Möglichkeit, nach Ausübung einer solchen Option diese wieder zu erneuern.

- Guaranteed Minimum Withdrawal Benefit (GMWB):

Diese Option ermöglicht garantierte wiederholte Teilrückkäufe in einer gewissen Höhe. Die Höhe dieser Teilrückkäufe kann zusätzlich durch ein Ratchet erhöht werden. Zu beachten ist hier, dass die GMWB sehr sensitiv sind bezüglich des Rückkaufverhaltens der Versicherungsnehmer.

Der GMWB ist in den USA in Kombination mit Einmalbeiträgen sehr erfolgreich. Zu beachten ist, dass die garantierten Entnahmen nur bis zum Tod möglich sind, eine Hinterbliebenenleistung gibt es nicht. Die GMWB sind sehr komplexe Finanzderivate, deren Wert stark vom Kundenverhalten abhängt. Steigt die Rückkaufquote der Kunden stark an, so reichen die vereinnahmten Gebühren nicht aus, um die garantierten Entnahmen zu finanzieren. Policen mit solchen Ausgestaltungen ziehen finanzrationale Kunden, wie z. B. Zweitmarktaufkäufer, an. Die zentralen Annahmen über das Kundenverhalten können so schnell hinfällig werden. Eine Absicherung gegen das Risiko, dass sich die Kunden anders verhalten als angenommen, ist nicht vorhanden. Insofern werden die Werte der Garantien systematisch unterschätzt, denn die Annahme nicht pfadabhängiger Stornowahrscheinlichkeiten reduziert den Optionswert massiv. Gerade wenn auch andere Optionen im Geld sind, stornieren die Kunden seltener. Bei einem finanzrationalen Kundenverhalten würde der Wert der Garantien den Wert der üblichen Garantiegebühren deutlich übersteigen.

- Guaranteed Minimum Income Benefit (GMIB):

Durch einen GMIB wird im Rahmen der Fondsgebundenen Lebensversicherung zusätzlich eine garantierte Mindestrentenleistung gewährt, welche wiederum durch die Möglichkeit eines Rollups, Ratchets oder Resets ausgestaltet werden kann. Bei einem GMIB gibt es in der Regel keine Überschussbeteiligung, weder in der Ansparphase noch in der Rentenphase. Die Garantierente ist also nicht überschussberechtigt und bleibt lebenslang konstant.

Wesentlich ist: Der „Garantiebetrag“ kann ausschließlich in Form der lebenslangen Rente in Anspruch genommen werden. Es gibt also keine garantierte Ablaufleistung. Die Garantie für diejenigen (wenigen), die die Rente wählen, wird also durch die Stornierenden und die Abgänge durch Tod mitfinanziert. Dies ist auch der Grund, warum die garantierte Rollup Rate in der Aufschubphase mit aktuell 5% bis 6% deutlich über dem risikolosen Zins liegen kann, während deutsche Lebensversicherer einen Garantiezins für Neuverträge anbieten müssen, der 60% des Zehnjahresmittels der risikolosen Zinsen nicht übersteigt. Die GMIB-„Kalkulation“ geht von der Annahme aus, dass nur ein gewisser (geringer) Anteil der Versicherten die Rente wählt, was in der Vergangenheit auch tatsächlich zu beobachten war. Diese Annahme entspricht einer Wette auf das zukünftige Kundenverhalten und setzt zudem ein systematisch finanzirrationales Verhalten der Kunden voraus. Durch den möglichen Eintritt von finanzrationalen Investoren, wie z. B. Händlern von Zweitmarkt-Lebensversicherungspolicen, könnten die getroffenen Annahmen zusammenbrechen, da Zweitmarkthändler gerade bei niedrigen Finanzmärkten zu 100 % die garantierte lebenslange Rente wählen würden.

Von den Versicherungsnehmern werden der GMDB sowie der GMWB besonders häufig gewählt.

Da durch die Gewährung dieser Garantien ein großer Teil des Kapitalmarktrisikos wieder auf den Versicherer rückübertragen wird, ist eine Absicherung durch das Versicherungsunternehmen erforderlich. Hierfür kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht: Das Outsourcen des Garantierisikos durch Inkorporierung eines Garantiefonds, die Konstruktion von Hybridprodukten, die Nutzung der Rückversicherung, die Nutzung der Self-Insurance durch die Bereitstellung eines erhöhten Eigenkapitals sowie schließlich die Nutzung eines Hedging-Programms. Durch ein dynamisches Hedging soll die Differenz aus Wert der Hedging Assets und Wert der Garantie zu jedem künftigen Zeitpunkt möglichst gering gehalten werden. Da die Finanzgarantien sensitiv gegenüber Änderungen an den Finanzmärkten sind, ist ein sog. dynamisches Hedging, also die fortlaufende, in der Regel wöchentliche, Anpassung der Hedge Assets erforderlich. Aufgrund der Komplexität der Optionen durch Ratchets, Resets und Rollups ist es in der Regel nicht möglich, deren Preise mittels der klassischen Optionspreistheorie zu bestimmen; stattdessen müssen mit hohem IT Aufwand Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt werden. Bei diesen ergibt sich der Garantiewert als Mittelwert über alle, in der Regel mehrere tausend, simulierten stochastischen Pfade. Das Hedging hat über mehrere Dimensionen zu erfolgen: Mittels Delta-Hedging wird das Risiko der Veränderung der Fondskurse abgefangen, mittels Vega- Heding wird die Änderung der Volatilität abgefangen und mittels Rho- Hedging wird eine Absicherung gegenüber einer Änderung des Zinsniveaus am Markt durchgeführt. Als Finanzinstrumente kommen insbesondere Aktienoptionen, Aktienfutures, Zinsfutures oder Zinsswaps in Betracht.

Bis Anfang des Jahres 2006 gab es in Deutschland keine GMIB. Stattdessen wurden Rentengarantien entweder konventionell abgesichert (traditionelle Produkte oder Hybridprodukte) oder es gab Garantien im Fonds verbunden mit garantierten Rentenfaktoren (Garantiefonds, Aktienindexgebundene Lebensversicherung). Produkte mit garantierten Renten enthielten daher bisher auch immer eine garantierte Ablaufleistung.

Der GMIB ist auch der Grundgedanke eines deutschen Produkts: Es wird eine garantierte Mindestrente während einer relativ langen Rentenabrufphase angeboten. Am Ende der Ansparphase hat der Kunde die Wahl zwischen a) einer Verrentung des angesammelten Fondsguthabens zu aktuellen Rechungsgrundlagen, b) einer Auszahlung des Fondsguthabens oder c) einer garantierten Rente.

Quellenhinweis

Wir bedanken uns für die Unterstützung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), der uns den ursprünglichen Originaltext dieses Artikels zur Verfügung stellte.