Verrichtungsgehilfen

§ 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz
des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der 
Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht 
tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der 
bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu
beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei 
der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche 
Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser 
Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für 
den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 
bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

Nach § 823 BGB wird die Haftung an ein Tun oder ein Unterlassen geknüpft. Schadensersatzansprüche können daher in erster Linie gegen die handelnde Person selbst geltend gemacht werden. Geschah diese Handlung aber durch jemand anderen, wie z.B. im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durch einen Arbeiter für den Arbeitgeber, so erstreckt sich nach § 831 BGB als Haftungsgrundlage außerhalb von Schuldverhältnissen die Haftung auch auf den Arbeitgeber.


Anspruchsvoraussetzungen


Verrichtungsgehilfe (VG) = derjenige, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und von dessen Weisungen abhängig ist.
Zurechenbares Handeln in Ausführung der Tätigkeit = unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der dem VG aufgetragenen Verrichtung (nach ihrer Art und ihrem Zweck) und der schädigenden Handlung
Rechtswidrigkeit ist grds. gegeben, entfällt nur bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen, wie z.B. Einwilligung, Notwehr, Notstand
Verschulden = vermutet Entlastungsmöglichkeit durch Nachweis der sorgfältigen Auswahl und Überwachung des VG

Tabelle: § 831 BGB Verrichtungsgehilfe

Für den Fall, dass jemand als Geschäftsherr einen weisungsgebundenen Verrichtungsgehilfen einsetzt, geht das Gesetz in § 831 BGB also davon aus, dass die eigentliche schadenauslösende Ursache in einem Sorgfaltsverstoß des Geschäftsherrn liegt.

Ein Verrichtungsgehilfe ist derjenige, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und von dessen Weisungen abhängig ist. Dies ist im Verhältnis Betriebsinhaber zu seinen Arbeitnehmern regelmäßig der Fall. Der Verrichtungsgehilfe muss in Ausführung und nicht nur bei Gelegenheit der ihm aufgetragenen Verrichtung einem Dritten durch eine unerlaubte Handlung rechtswidrig einen Schaden zugefügt haben. Dies erfordert, dass ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der ihm aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck einerseits und der schädigenden Handlung andererseits vorliegen muss.

Beispiel:

Das Verschulden des Geschäftsherrn wird in § 831 Abs. 1 S. 2, 1.HS BGB dahingehend vermutet, dass er seinen Verrichtungsgehilfen nicht ausreichend ausgewählt, angewiesen, beaufsichtigt oder mit den erforderlichen Vorrichtungen und Gerätschaften versehen hat. Des Weiteren besteht gem. § 831 Abs 1 S. 2, 2. HS BGB auch eine Kausalitätsvermutung dafür, dass die Verletzung dieser Pflichten für die Schädigung des Dritten ursächlich geworden ist.

Beispiel:

Entlastung des Geschäftsherrn

Diese o.a. Verschuldensvermutung gilt nur dann nicht, wenn der Geschäftsherr den handelnden Verrichtungsgehilfen, also den Arbeitnehmer, sorgfältig ausgewählt und überwacht hat, der Schaden aber trotzdem eingetreten ist.

Beispiel:

Verhältnis Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfe

§ 831 BGB betrifft die Haftung für Verrichtungsgehilfen außerhalb eines Schuldverhältnisses. Demgegenüber haftet der Geschäftsherr für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen ohne Rücksicht auf sein eigenes Verhalten nach § 278 BGB. Wenn der Mitarbeiter des Arbeitgebers als Geschäftsherrn bei einem Vertragspartner (Kunden) zur Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit tätig wird, handelt es sich um einen Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB. Bei der Haftung des § 278 BGB kann sich der Geschäftsherr im Gegensatz zu § 831 BGB überhaupt nicht entlasten. Hier wird ihm das schuldhafte Verhalten seines Erfüllungsgehilfen zugerechnet.

Damit ist § 831 BGB im Gegensatz zu § 278 BGB eine eigene Anspruchsgrundlage und nicht lediglich eine Zurechnungsnorm für fremdes Verschulden.

Beide Fallkonstellationen können auch nebeneinander zur Anwendung kommen, wenn eine Handlung des Arbeitnehmers gleichzeitig die Verletzung einer vertraglichen Verhaltenspflicht und einen Verstoß gegen die allgemeinen Rechtspflichten des § 823 BGB darstellt.

Beispiel:

Der Dachdecker beauftragt seinen Gesellen, das Dach eines Kunden einzudecken. Bei den dabei nötigen Schweißarbeiten kommt es zu einem Brand, der den Dachstuhl vernichtet und auf das Gebäude des Nachbarn übergreift und es beschädigt.

a) Die Vernichtung des Dachstuhls des Kunden ist im Rahmen der Erfüllung des Vertrages geschehen, hier ist der Geselle Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB.

b) Die Beschädigung des Hauses des Nachbarn hat mit der vertraglichen Beziehung zwischen Dachdecker und Kunden nichts zu tun. In diesem Fall ist der Geselle Verrichtungsgehilfe i.S.d. § 831 BGB. Im Gegensatz zu a) kann sich der Dachdecker als Geschäftsherr unter Umständen entlasten und haftet dann selbst nicht.

Unmittelbare Haftung des Geschäftsherrn

Zu beachten ist dabei aber, dass der Geschäftsherr von der Rechtsprechung jedoch auch direkt aus § 823 BGB für die Verletzung von Organisationspflichten als Ausfluss der Verkehrsicherungspflicht in Anspruch genommen wird.

Beispiel:

Für die Erfüllung sämtlicher Organisationspflichten werden so hohe Anforderungen gestellt, dass in fast allen Fällen auch das Unternehmen direkt aus § 823 BGB (ggf. i.V.m. §§ 31, 89 BGB) haftet, wenn gegen einzelne Mitarbeiter Ersatzansprüche nach § 823 BGB bestehen.