Spürbare Entlastung bereits durch kleine Automatisierungsschritte

Sebastian Langrehr ist als CSO der Smart InsurTech AG mit der Digitalisierung der Versicherungsbranche beauftragt, nebenbei auch MitInitiator und Treiber von FRIDA und Stimme des Podcasts "Insurance Monday". Ein idealer Gesprächspartner für Prozessautomatisierung und meine Frage, auch bereits digital arbeitende Makler von den Vorteilen der Automatisierung zu überzeugen.

Henning Plagemann: Sebastian, ich habe jetzt viele Maklerunternehmen von innen gesehen, in denen digitalisierte Prozesse bereits gelebt werden und die Vermittlerpost digital eingeht. Trotzdem erfolgt die Zuordnung zum Kunden und zum Vertrag meist noch manuell. Wie können wir die Makler überzeugen, in die Automatisierung zu investieren?

„Selbst kleine Automatisierungsschritte schaffen spürbare Entlastung im Maklerbüro.“

Sebastian Langrehr
Smart InsurTech AG

Sebastian Langrehr: Das Automatisierungspotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft – auch wenn die Post schon digital ankommt. Der entscheidende Punkt ist die effiziente Verarbeitung dieser Daten im Maklerverwaltungsprogramm und das Anstoßen automatisierter Folgeprozesse. Nimm beispielsweise Vertragsänderungen: Bei einer Lebensversicherung kann sich eine Dynamikanpassung ergeben, die angenommen oder abgelehnt werden muss. Läuft dieser Prozess automatisch, spart das wertvolle Zeit. Zudem können automatisierte Prozesse Cross-Selling-Potenziale identifizieren oder Service-Anlässe generieren – etwa eine automatische Geburtstags-E-Mail an Versicherungsnehmer.

HP: Zeitersparnis ist auch für Makler eine harte Währung, die sich in Freizeit oder zusätzlichem Umsatz auszahlen kann. Kann man die Zeitersparnis durch Automatisierung beziffern?

SL: Dies ist je nach Maklerbüro und Sparte sehr unterschiedlich. Vor allem im Sach- und standardisierten Massengeschäft ist das Potenzial enorm, da hier die meisten Statusänderungen anfallen. Ein konkretes Beispiel: Einer unserer Partner konnte durch Automatisierung mehr als zwei Dutzend offene Stellen im Innendienst kompensieren - ein echter Trumpf in Zeiten des Fachkräftemangels. In der Lebens- und Krankenversicherung ist der Automatisierungsbedarf in der Regel geringer, da es hier weniger Anpassungen gibt.

HP: BiPRO, Datenaustausch, MVP-System - das klingt nach komplizierter Technik und überfordert manchen Makler. Wie soll man das alleine schaffen?

SL: Tatsächlich ist ein Automatisierungsgrad von 10 bis 20 Prozent auch ohne technisches Know-how erreichbar. Schon 5 Prozent bringen eine spürbare Entlastung. Ein einfacher Einstieg ist z.B. der automatisierte Versand von Begrüßungsschreiben inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen Informationen an Neukunden. Automatisierung lohnt sich vor allem dort, wo viele gleichartige Geschäftsvorfälle anfallen und regelmäßig BiPRO-konforme Daten eintreffen.

Natürlich hängt der Aufwand von Unternehmensgröße und Anspruch ab. Die automatische Sortierung von Beitragsrechnungen ist relativ simpel. Komplexer wird es, wenn daraus automatisch Service-Dienstleistungen generiert werden sollen. Unsere Erfahrung zeigt: Partnern mit prozessorientierter Denkweise fällt der Einstieg oft leichter. Wer das volle Potenzial ausschöpfen möchte, kann auf unseren Consulting-Service zurückgreifen, der von der Prozessanalyse bis zur Umsetzung begleitet.

HP: Alleine steht man oft wie der Ochs vor dem Berg, aus meiner Sicht sind Makler an dieser Stelle keine Konkurrenten, sondern sollten sich für die Umsetzung des digitalen Maklerbüros zusammenschließen und austauschen.

SL: Absolut! Der Austausch zu technischen Herausforderungen ist sehr wertvoll, da viele Maklerbüros vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Deshalb starten wir 2025 eine Kunden-Community für gegenseitiges Lernen und Inspiration. Unser Peer-Support steht mit Expertise zur Prozessoptimierung zur Seite, um die Lösungsfindung zu beschleunigen.

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HP: Die Branche ist gerade in der Kfz-Sparte mit dem „Wechselwahn" der Kunden konfrontiert, das schreit förmlich nach Automatisierung. Einige Dienstleister haben gute Erfahrungen mit proaktiver Angebotserstellung gemacht, ist das auch für den einzelnen Makler machbar?

SL: Im Kfz-Massengeschäft kann Automatisierung definitiv helfen. Beispielsweise können Regeln erstellt werden, die Kunden bei Policenerhöhungen ab einem bestimmten Prozentsatz automatisch über Wechselempfehlungen informieren. Das spart nicht nur Zeit, sondern ermöglicht auch eine gezielte Kundenberatung. Eine vollautomatische Anbindung an Vergleichsrechner wird bereits evaluiert.

Wichtig ist aber: Es gibt keine Universallösung - die Automatisierung muss auf die individuellen Bedürfnisse des Maklers und seiner Kunden zugeschnitten sein. Das ist aber durchaus machbar und wäre ein gutes Thema für die Kunden-Community im Jahr 2025.

HP: Makler äußern oft Bedenken, dass die über Jahre etablierten Arbeitsweisen ihrer Mitarbeiter verändert werden. Bedeutet Automatisierung aus deiner Sicht eine komplette Umstellung des Althergebrachten?

SL: Nein, unser Maklerverwaltungsprogramm SMART ADMIN ist so flexibel, dass es die meisten etablierten Arbeitsweisen nahezu 1:1 abbilden kann. Allerdings empfehle ich Maklerhäusern, die verstärkt digitalisieren wollen, ihre Anforderungen und die Teameinstellung zur neuen Technologie genau zu prüfen. Der Erfolg steht und fällt mit dem Zusammenspiel von Mensch und Technik.

Nicht jedes MVP passt zu jedem Büro: Manchem reichen standardisierte Prozesse, andere brauchen mehr Flexibilität – je nach Spezialisierung und Sparten. Wichtig ist der Blick über den initialen Implementierungsaufwand hinaus auf Funktionstiefe und langfristige Anpassungsmöglichkeiten.

HP: Eine häufige Anforderung von Maklern zur Erleichterung der Verwaltungsarbeit betrifft Rückfragen des Versicherers. Können diese automatisch an den Kunden weitergeleitet und nachverfolgt werden?

SL: Ja, für jeden Prozess lässt sich ein Folgeprozess definieren. Status und Fortschritt werden überwacht, sodass automatische Erinnerungen ausgelöst werden, wenn Informationen fehlen. Das reduziert den Verwaltungsaufwand bei gleichbleibend zuverlässiger Kommunikation.

HP: Erste Versicherer haben die BiPRO 500-Norm für die Kfz-Sparte umgesetzt, darin sind Änderungsprozesse Bestandsdaten definiert. Unterstützt ihr die Normreihe 500?

SL: Ja, die 500er-Normen eröffnen vielfältige Möglichkeiten, besonders bei den häufigen Änderungsservices. Über unsere Plattform SMART INSUR können Versicherer Änderungsprozesse mittels BiPRO-Normen 501 und 502 digitalisieren. Adress- und Bankdatenänderungen werden dann automatisch in Echtzeit verarbeitet. Das beschleunigt nicht nur den Prozess, sondern verbessert auch die Qualität: Weniger Fehler bei Anschreiben oder Abbuchungen bedeuten weniger Rückfragen und Beschwerden. Die BiPRO-Norm 430 sorgt zusätzlich für synchrone Datenstände zwischen Maklerbüros und Versicherern.

HP: Im Zusammenhang mit der Automatisierung wird häufig auch von künstlicher Intelligenz gesprochen. Nun sind die „Halluzinationen" der KI bekannt, bei Vertragsdaten wäre das unverzeihlich. Wie geht man damit um?

SL: Unsere Erfahrung zeigt: Automatisierung ist tendenziell weniger fehleranfällig als manuelle Prozesse. Beim maschinellen Lernen ist eine Art Qualitätssicherung eingebaut: Das Modell wird mit Beispielaufgaben und -lösungen trainiert und an unbekannten Aufgaben getestet. Natürlich können auch Modelle Fehler machen - genau wie Menschen. Aber durch sorgfältige Modellierung, Validierung und präzise Aufgabenstellungen minimieren wir das Risiko. In Zukunft wird die generative KI die Qualität weiter verbessern, wobei wir durch geschickte Methodenkombinationen "Halluzinationen" minimieren.

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