Die Stiftung Warentest hat in ihrer aktuellen Untersuchung 1.245 PKV-Tarifkombinationen von 35 Anbietern unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Nur 384 Tarife von 23 Anbietern erfüllen die grundlegenden Qualitätskriterien. Die übrigen 861 Tarife scheitern entweder an zu hohen Selbstbehalten von über 660 Euro oder bieten Leistungen, die teilweise sogar unter dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung liegen.
Von den Testern besonders betont: Die Höhe des Beitrags korreliert nicht zwangsläufig mit dem Leistungsumfang. Teure Tarife bieten nicht automatisch einen besseren Versicherungsschutz. Der Preisaufschlag spiegelt oft nicht den tatsächlichen Umfang der zusätzlich abgesicherten Gesundheitsrisiken wider.
'Sehr gute' Testergebnisse
Die Stiftung Warentest hat die Ergebnisse für die Zielgruppen Beamte sowie Angestellte und Selbstständige in nach Beitragshöhe sortierten Tabellen zusammengestellt. Alle Tarife in diesen Tabellen erhielten das Qualitätsurteil "sehr gut". Die günstigsten Tarifkombinationen sind
für Angestellte und Selbstständige: Arag (ME600, KTV42/150, PVN),
für Beamte: Continentale (Comfort-B/50S, SP2-B/50S, PVB).
Die kritisierten Leistungslücken
Die Stiftung Warentest kritisiert, dass zwei Drittel der untersuchten PKV-Tarife entweder zu hohe Selbstbehalte von über 660 Euro aufweisen oder in wichtigen Bereichen wie der Palliativversorgung, der ambulanten Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen sogar schlechtere Leistungen als die gesetzliche Krankenversicherung bieten. Zudem warnen die Tester vor einer Kostenfalle im Alter, da ein anfänglicher Monatsbeitrag von 600 Euro bis zum Renteneintritt auf 1.500 Euro ansteigen kann und für die Zeit nach der Rente mit 67 bis zum statistischen Lebensende mit Gesamtkosten von rund 250.000 Euro zu rechnen ist.
Palliativversorgung:
- Unzureichende Leistungen für Schwerstkranke
- Teilweise schlechtere Absicherung als in der GKV
Psychotherapeutische Versorgung:
- Limitierte Sitzungszahlen
- Geringere Erstattungssätze als in der GKV, die 100% übernimmt
- Bei vielen Tarifen keine unbegrenzte stationäre Psychotherapie
Digitale Gesundheitsanwendungen:
- Fehlende Abdeckung moderner E-Health-Lösungen
- Keine oder unzureichende Erstattung von Gesundheits-Apps
- Mangelnde Anpassung an die digitale Transformation im Gesundheitswesen
Weitere problematische Bereiche:
- Einschränkungen bei der ambulanten Heilbehandlung
- Lücken bei der Erstattung von Hilfsmitteln
- Defizite bei der Übernahme von Transportkosten
Die Bewertungskriterien der Stiftung Warentest
Die Tester legten folgende grundlegende Anforderungen als Kriterien für ihre Bewertung fest:
- Maximale Selbstbeteiligung: 660 Euro pro Jahr
- Leistungsniveau mindestens auf GKV-Niveau, in definierten Bereichen darüber
In die Bewertung wurden nur Angebote aufgenommen, die in allen Bereichen mindestens das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. In einigen Bereichen deutlich bessere Leistungen erwartet, um Versorgungslücken zu vermeiden. Die 17 Grundleistungen in der Übersicht:
Ärztliche Versorgung:
- Arzthonorare bis zum 3,5-fachen Satz der GOÄ
- Freie Arztwahl
- Vorsorgeuntersuchungen mindestens im Umfang der gesetzlichen Programme
- Stationäre Behandlung
- Mindestens Zweibettzimmer
- Chefarztbehandlung
- Transport in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus
Zahnleistungen:
- 100% Erstattung für Zahnbehandlungen
- Mindestens 75% für Zahnersatz, Inlays und Materialkosten
- Kieferorthopädie für Kinder
- Kieferorthopädie für Erwachsene nach Unfällen
Psychotherapeutische Versorgung:
- Stationäre Psychotherapie: unbegrenzt
- Ambulante Psychotherapie: mindestens 50 Sitzungen pro Jahr zu 80
- Sucht-, Entzugs- und Entgiftungsbehandlungen
Heilbehandlungen:
- Mindestens 80% für physikalische Therapie
- Mindestens 80% für Sprachtherapie
- Mindestens 80% für Ergotherapie
- Anschlussheilbehandlungen nach Krankenhausaufenthalt
Arzneimittel und Hilfsmittel:
- 100% Erstattung für verschreibungspflichtige Arzneimittel
- Mindestens 80% für Hilfsmittel
- Mindestens 80% für Körperersatzstücke (z.B. Prothesen)
Weitere wichtige Leistungen:
- Palliativversorgung
- Häusliche Krankenpflege
- Schutzimpfungen gemäß STIKO-Empfehlungen
- Kinderwunschbehandlungen im gesetzlichen Rahmen
- Digitale Gesundheitsanwendungen (z.B. Gesundheits-Apps)
Bewertungssystematik
Das Qualitätsurteil setzt sich aus folgenden Gruppen zusammen:
- Ambulante Leistungen
- Stationäre Leistungen
- Zahnleistungen
- Weitere Tarifmerkmale (u.a. Auslandsschutz, digitale Anwendungen, Sehhilfen)
- Die Leistungen wurden nach einem Punktesystem bewertet, das sich an den tatsächlichen Aufwendungen der Versicherer orientiert (gemäß Zahlenportal des PKV-Verbandes).
Die Stiftung Warentest analysiert die Beitragsentwicklung wie folgt:
- Der PKV-Verband beziffert die durchschnittliche jährliche Steigerung auf 3,1% in den letzten 20 Jahren
- Beispielrechnung der Tester für einen 35-jährigen Selbstständigen:
- Startbeitrag: 600 Euro monatlich
- Prognostizierter Beitrag zum Renteneintritt: 1.500 Euro monatlich
Der leistungsstärkste im Test bewertete Tarif für Selbstständige liegt aktuell bei 865 Euro monatlich. Bei gleichbleibender Entwicklung rechnen die Tester im Alter von 65 Jahren mit einem Monatsbeitrag von etwa 2.160 Euro.
Einbeziehung des Tests in die Kundenberatung
Dieser Test führt zu einer breiten Berichterstattung in den Medien und wird von vielen Verbrauchern wahrgenommen. Die Testergebnisse und die Methodik sollten in die Kundenberatung einfließen. Neben der ausführlichen Analyse der individuellen Kundensituation ist die lückenlose Dokumentation der Empfehlungen für jeden Berater Pflicht.
Zielgruppenspezifische Betrachtung:
- Beamte: Die Tester sehen hier aufgrund der Beihilfe die geringsten Bedenken
- Angestellte und Selbstständige: Empfehlung zur detaillierten Analyse der langfristigen Finanzierbarkeit
Tarifauswahl:
- Prüfung der 17 Grundleistungskriterien
- Berücksichtigung der Selbstbeteiligung (maximal 660 Euro laut Testkriterien)
- Beachtung der Beitragsrückerstattungsoptionen
Vorsorgeplanung:
- Die Tester empfehlen, zwei Drittel der erwarteten Alterskosten durch Ersparnisse abzudecken
- Berechnetes Beispiel: 270 Euro monatliche Sparrate über 30 Jahre bei 3% Verzinsung
Tarifwechseloptionen:
- Interner Tarifwechsel mit Mitnahme der Alterungsrückstellungen und Anspruch auf Tarifwechselberatung innerhalb von 15 Tagen
- Versichererwechsel mit teilweiser Mitnahme der Alterungsrückstellungen und erneuter Gesundheitsprüfung
- Wechsel in den Basistarif mit GKV-vergleichbarem Leistungsniveau zum Höchstbeitrag: 942,46 Euro monatlich für Verträge ab 2009
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Kommentare
Die PKV bietet ein sehr breites Spektrum an Tarifen und Leistungen, die Kunden können sich den passenden Tarif aussuchen. Bei der GKV ist dies nicht möglich, da wird viel Geld für mittelmäßige Leistung gezahlt. Und eine hohe SB ist per se kein Nachteil und kann sinnvoll sein bei sehr jungen Kunden.
Das Limit für die Selbstbeteiligung ist aus meiner Sicht willkürlich und systematisch falsch. Ich kann keinen Grund erkennen, warum Versicherte mit entsprendem Einkommen und oder Rücklagen nicht die Möglichkeit nutzen sollen, durch einen höheren SB Beiträge zu sparen. Teilweise wäre das einfach dumm!
Sehr informatif
Die "Tester" sollten dieses komplexe Thema anderen überlassen und vielleicht zu ihrer Kernkompetenz zurückkehren, welche auch immer das sein soll.