Besuch im digitalen Maklerbüro - ein Blick hinter die Kulissen

Und wieder wird ein neues Zeitalter im Maklermarkt ausgerufen: Die Digitalisierung ist bereits ein alter Hut und hoffentlich von den Maklern umgesetzt. Das neue Pferd in der Arena ist nun die Automatisierung der Maklerprozesse auf Basis digitaler Daten. Was sagen die Praktiker dazu? Ich habe mir die Prozesse eines weiteren Maklerbüros genauer angesehen. 

Das mittelständische Maklerunternehmen Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG hat ein in der Branche weithin bekanntes Gesicht: Andreas Vollmer, der in seiner Rolle als BVK-Vizepräsident auch als „Teilzeit-Lobbyist für Versicherungsmakler“ unterwegs ist, wie er selbst sagt. Und fügt hinzu: "Ohne optimierte Prozesse hätte ich gar keine Zeit für diese Tätigkeit."

Das 1930 gegründete Unternehmen ist auf das Firmenkundengeschäft und die Immobilienwirtschaft spezialisiert und beschäftigt insgesamt 9 Mitarbeiter und eine Auszubildende. Die Kunden kommen aus der Region Ostwestfalen-Lippe. Durch die Mitgliedschaft in einem bundesweiten Maklernetzwerk werden auch internationale Aktivitäten der Kunden begleitet.

Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens war neben der Konzentration auf erstklassige Dienstleistungen und Produkte die Auseinandersetzung mit den eigenen Arbeitsprozessen, deren konsequente Verbesserung und die Standardisierung.

Im Zentrum von Hasenclever + Partner steht das MVP-System AMS 5, die Anbindung an die Versicherer zum Abruf der Maklerpost erfolgt über scan2find mit BiPRO-Services. Ich will wissen, was das Maklerbüro mit dem AMS als MVP-System macht und vor allem: wie es dazu gekommen ist. Wer hat das umgesetzt, der Makler als Anwender, der MVP-Hersteller oder externe Dienstleister?

Henning Plagemann: Du bist durch Deine Aktivitäten im BVK auch bei den Maklern bekannt, außerdem bist Du im Beirat der BiPRO und auch in unserer Jury für den jährlichen dvb-Award zu den Maklerprozessen. Ähnlich wie beim Kollegen Billerbeck interessiert mich, wie ihr als Aushängeschilder der Branche mit den Prozessen umgeht. Eure Gesichter sieht man ja regelmäßig in den Versicherungsmedien zu aktuellen Themen - da würde ich dem Schuster gerne mal auf den Leisten schauen.

Andreas Vollmer: Gerne, aber Medienpräsenz allein macht noch keine guten Prozesse. Tatsächlich hat mir der BVK geholfen, denn als ich 1999 nach meinem Studium hier voll eingestiegen bin, hatte der BVK damals die Idee, die Prozesse eines Versicherungsmaklerbüros detailliert zu dokumentieren. Ziel war es, ein allgemeingültiges Prozessmodell zu erstellen, das als Grundlage für die Optimierung der Arbeitsabläufe dienen sollte. Drei BWL-Studenten haben mit mir über Monate die Arbeitsprozesse begleitet und analysiert, am Ende hatten wir ein umfassendes Handbuch auf dem Tisch.

HP: 1999, da wart ihr eurer Zeit weit voraus, das war ja noch vor dem Start von BiPRO.

AV: Ja, der BVK hatte da den richtigen Riecher. Leider ist diese Dokumentation, die den theoretisch optimalen Prozessablauf beschrieb, dann ein paar Jahre im Regal verstaubt. Die eigentliche Wende kam erst mit der Zertifizierung unseres Unternehmens nach DIN EN ISO 9001:2008 im Jahr 2011. Damit dokumentieren wir bis heute die Qualität unserer Arbeit, den Nachweis geeigneter Prozesse zur Erbringung qualitativ hochwertiger Dienstleistungen.

Von der Theorie zur gelebten Prozesskultur

Im Gespräch mit Andreas und Kilian Vollmer von Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG

AV: Der eigentliche Durchbruch in der Umsetzung der Prozessorientierung kam, als mein Bruder Kilian in das Unternehmen eintrat. Sein Fokus liegt nicht auf der Kundenbetreuung, sondern auf den internen Abläufen und der Prozessoptimierung. Das führte dazu, dass aus dem bis dahin theoretischen Handbuch eine gelebte Prozesskultur wurde. Entscheidend war dabei die Zusammenarbeit im Team - alle Mitarbeiter bringen sich gerne aktiv in die Prozessoptimierung ein.

HP: Was war für Euch der größte Lerneffekt?

Kilian Vollmer: Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass die besten Prozesse nur dann zum Erfolg führen, wenn sie von allen Mitarbeitern konsequent gelebt werden. Dies gilt insbesondere in einem Maklerbüro, in dem eine Vielzahl von Daten und Dokumenten mit höchster Genauigkeit verarbeitet werden müssen, wie z.B. die Ablage von Dokumenten in Kunden- und Vertragsakten. Hier muss sich jeder an die Vorgaben halten. Während die Auszubildende das vom ersten Tag an lernt, fällt es älteren Kollegen schwer, langjährige Gewohnheiten zu ändern. Das ist ein wichtiger Schritt zur Prozessoptimierung, den kein MVP-System abnehmen kann. Wer das nicht schafft, kann es gleich lassen.

Abschaffung der Papierakte brachte den Durchbruch 

AV: Für mich war die wichtigste Lektion bei der endgültigen Umstellung auf die Prozesssteuerung im MVP-System der Verzicht auf die Papierakte. Rückblickend haben wir viel zu lange am Papier festgehalten. Erst im Jahr 2019 wurden die letzten physischen Akten gescannt und im Archiv abgelegt. Diese Entscheidung hat uns gerade während der Corona-Pandemie enorme Vorteile gebracht, da wir aus dem Stand in der Lage waren, allen Mitarbeitern das Arbeiten aus der Ferne zu ermöglichen. Aber schließlich galt es, 94 Jahre Unternehmensgeschichte zu digitalisieren und bewährte Arbeitsweisen zu transformieren, was natürlich auch einen gewissen Respekt vor dem Althergebrachten erfordert.

Wir wechseln kurz den Standort und besuchen eine Kollegin, die mit dem heutigen BiPRO-Datenabruf extra auf uns gewartet hat. Sie startet den Abruf, von A(llianz) bis Z(urich) trudeln die Dokumente ein. Bei der Weiterverarbeitung der Dokumente weist die Mitarbeiterin auf Fehler hin, die seit Jahren bekannt sind und die selbst mich als BiPRO-Enthusiasten im Jahr 2024 peinlich berühren: Versicherer schicken dem Makler die komplette E-Mail-Korrespondenz als PDF-Sammlung zurück, Vertragsnummern werden in unterschiedlichsten Schreibweisen dargestellt und führen zu Zuordnungsproblemen. Bekannte Probleme löst die Kollegin mit wenigen Klicks, der Wegfall der umständlichen Postbearbeitung und die Möglichkeit der Remote-Arbeit stimmen sie milde.

Automatisierung kein Selbstzweck

HP: Ihr habt euer Büro und die Arbeit an den Kundenakten digitalisiert, natürlich auch den Posteingang. Die Prozesse für die Weiterverarbeitung sind nicht nur klar definiert, sondern auch gelebte Praxis und bei den Mitarbeitern in der täglichen Arbeit etabliert. Aber mit Blick auf das Potenzial der BiPRO-Standards stellt sich mir die Frage: Welche Tätigkeit übernimmt das MVP-System, die bisher ein Mensch machen musste?

KV: Allein durch die vollständige Digitalisierung der Akten im MVP-System konnten wir unser Wachstum in den letzten Jahren ohne zusätzliches Personal bewältigen. Im Papierzeitalter hätten wir zwei zusätzliche Mitarbeiter gebraucht, die immer schwerer zu bekommen sind. Eine weitere Automatisierung der Verwaltungsarbeit haben wir aber noch nicht umgesetzt. Das liegt zum einen daran, dass die manuelle Arbeit an den Verträgen unter Qualitätsgesichtspunkten nach wie vor wertschöpfend ist - wir können es uns also betriebswirtschaftlich noch leisten. Ansonsten würden wir wirtschaftlich "unter Wasser stehen".

AV: Unsere Prozesse leben wir und werden regelmäßig im Team diskutiert und bei Bedarf aktualisiert. Wir beobachten sehr genau, was acturis als Hersteller unseres MVP-Systems an Neuerungen in der Software bringt, was sich bei den BiPRO-Standards und der Umsetzung auf Versichererseite tut. Mit Kilian haben wir heute einen Mitarbeiter, der sich ausschließlich mit Organisation und Prozessen beschäftigt. Das ist auch eine Botschaft an die Kollegen: Das ist keine Tätigkeit für nebenbei, die schon gar nicht von einem externen Mitarbeiter erledigt werden kann, der sich um die "EDV-Sachen" kümmert. In Maklerunternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern ca. 10% der Personalressourcen ausschließlich für Organisation, IT und Prozesse einzusetzen, ist meine klare Empfehlung an die Maklerbranche!

Damit haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, die Basis für den nächsten Meilenstein „Automatisierung“ ist gelegt. Automatisierung ist aber kein Selbstzweck, sondern ein Instrument im Wettbewerb unserer Branche. Sie gelingt, wenn die Datenqualität ein ausreichendes Niveau erreicht hat. Und da sind wir mit der jetzigen Konstellation im Moment sehr gut aufgestellt.

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