Das digitale Maklerbüro des BDVM, oder: Wie gut sind des Schusters Schuhe?

Das digitale Maklerbüro ist in aller Munde. Der letzte BDVM-Verbandstag war wegen des Provisionsdeckels in den Schlagzeilen, die Digitalisierung der BDVM-Qualitätsmakler, wie der neue Präsident Billerbeck die angeschlossenen Makler nennt, stand aber im Vordergrund. Und da das Familienunternehmen Billerbeck seit vielen Jahren als Vermittler am Markt aktiv ist, davon die letzten Jahre als Makler, stellt sich die Frage: Wie digital ist der BDVM-Präsident selbst als Makler aufgestellt? Eine Bestandsaufnahme vor Ort in der Versicherungshauptstadt Hannover.

MVP-System und GeschäftsvorfälleDigitalisierung und Automatisierung. In Zeiten von Papieranträgen und schwarzen Kugelschreibern (wichtig für die "Texterkennung") war das Faxgerät die erste Stufe der Digitalisierung. Und die nimmt kein Ende. Billerbeck erinnert sich an den ersten PC im Unternehmen, 18.000 D-Mark, dazu ein ohrenbetäubender Nadeldrucker. Es war die Zeit der MVP-Systeme, seine Wahl fiel auf den Hersteller Lutronik mit dem System VIAS. Das kann viel, nicht nur Versicherungsverträge, sondern auch Hausverwaltung. Es spricht BiPRO und kann GDV-Daten verarbeiten. Seit 2004 ist das Büro „papierlos“.

„Das Massengeschäft erfordert zwangsläufig Automatisierung.“

Thomas Billerbeck
Billerbeck GmbH

Geschäftsmodell: Welche Tätigkeit der 15 Mitarbeiter braucht noch digitale Unterstützung, welche wiederkehrende Aufgabe kann automatisiert werden? Das Geschäftsmodell von Makler Billerbeck ist nicht auf das Massengeschäft ausgerichtet, sondern konzentriert sich auf das Firmenkundengeschäft. Hier werden fast ausschließlich Vollmandate mit einem Prämienvolumen von mindestens 5.000 Euro im Sachbereich übernommen. Alles oder nichts lautet die Devise. Der Bestand liegt bei 4.500 Verträgen, das sind 300 Verträge pro Mitarbeiter.

Die Prozessverantwortliche hat an diesem Morgen extra mit der Postbearbeitung auf uns gewartet. Vor unseren Augen startet sie den BiPRO-Postabruf bei allen Gesellschaften. Alle schauen auf die Verlaufsanzeige, von Allianz bis Zurich wird die Post abgeholt. „Hoffentlich gibt es einen Fehler, damit ihr das auch mal seht!“. Vorführeffekt, der Postabruf läuft ohne Fehler durch und die Eingangspost wurde nach Kundenzuständigkeit in die Postkörbe der Mitarbeiter verteilt.

Erstes Zwischenfazit: Die Maklerverwaltung ist erfolgreich digitalisiert. Die Post muss nicht mehr geöffnet und Papier eingescannt werden. Wir erklären den anwesenden Auszubildenden kurz, wie diese morgendliche Routine während unserer Ausbildung vor 30 Jahren ausgesehen hat. Die Scanner kamen erst viel später. 
Weiter im MVP-System: Alle digital eingehenden Geschäftsvorfälle haben eine 9-stellige BiPRO-Kategorie. Sie beschreibt, um welche Art von Vorgang es sich handelt: Neuvertrag, Änderung, Mahnung, Fahrerwechsel... - Eine lange Liste gibt darüber Auskunft. Was bedeutet das nun für die Maklerpost, was passiert mit den Vorgängen, wie verarbeitet das System Dokumente und Vorgänge? Die Antwort ist kurz: „Nichts. Ab hier erbringen wir menschliche Arbeit am Vertrag. Wir nutzen auch nicht die GDV-Daten, sondern erfassen die Vertragsstammdaten manuell.“ Begründet wird dies mit der Individualität des Geschäfts. Da die Daten auch in das Kundenportal übertragen werden, würde die Vielzahl der Informationen den Kunden verwirren, so dass der Kundenbetreuer den Informationsfluss steuert. Auch die unterschiedlichen Beschreibungen der Versicherer werden manuell harmonisiert.

Kernfrage: Welche Prozessautomatisierung ist im MVP-System hinterlegt?

MVP-System VIAS
Lutronik / acturis

Die Expertenmeinung: Das Maklerbüro ist voll digitalisiert, ein vollständiges und plattformunabhängiges Arbeiten aus der Ferne ist möglich. Bei der Automatisierung sind die Potenziale von BiPRO und dem System VIAS technisch bei weitem noch nicht ausgeschöpft - dies mag derzeit betriebswirtschaftlich noch nicht zwingend notwendig sein, aber es gilt die 2-Minuten-Regel für wiederkehrende Tätigkeiten: Eine Automatisierung ist zu prüfen, insbesondere wenn es nur um die Durchsicht von Vorgängen und Dokumenten geht. Denn die Systeme, die Versicherer und vor allem die Mitarbeiter sind darauf vorbereitet, so dass die Umsetzung dieses nächsten Entwicklungsschrittes mit überschaubarem Aufwand und ohne große Umstellungen machbar ist.

Im gewerblichen Bereich leisten wir uns diese Arbeit, das ist auch Ausdruck unseres hohen Qualitätsanspruchs. Aber der Anteil der Privataufträge nimmt zu, und das Massengeschäft verlangt natürlich nach Automatisierung", sagt Thomas Billerbeck. "Wir haben uns die technischen Möglichkeiten genau angeschaut und werden hier investieren. Und vielleicht eröffnen sich dadurch auch neue Geschäftsmodelle, die bisher nicht im Fokus standen, aber angesichts des Konsumverhaltens der neuen Generation Sinn machen“, sagt er mit Blick auf die jungen Auszubildenden. 

Dr. Bernhard Gause (BDVM), Michael Trosien (BiPROWerft), Thomas Billerbeck (Billerbeck GmbH/ BDVM), Henning Plagemann (dvb)

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