Auswahl MVP-System: Die Leiden des Maklers L. aus Hannover

Ralf Lampe, der den fairsicherungsladen in Hannover leitet, steckt mitten im Tagesgeschäft. Als Wirtschaftsinformatiker zuckt er zwar zusammen, wenn sein Team am veralteten MVP-System verzweifelt, doch er weiß sich stets zu helfen. Schon vor der Corona-Pandemie begann er die Suche nach einem neuen MVP-System. Auch sein Verband der Fairsicherungsmakler wartete gespannt auf seine Einschätzung. Er führte intensive Gespräche mit Kollegen, dem BDVM, MVP-Herstellern und IT-starken Maklerpools. Jetzt, im September 2024, wollte ich mir den aktuellen Stand seiner Bemühungen zeigen lassen.

Eigentlich sollte dies die Geschichte eines digitalen Maklerbüros werden, inklusive der erfolgreichen Migration und vollständigen Digitalisierung eines aktenlastigen Büros. Doch herausgekommen ist die Leidensgeschichte eines Maklers, die viele seiner Kollegen im ganzen Land nur zu gut nachvollziehen können. Auf den MVP-Systemen ruhen die digitalen Hoffnungen des Maklermarktes mit seinen Initiativen wie der BiPRO, und dennoch verzweifeln nicht nur die Makler, sondern auch die Berater.

Umgeben von Akten: Der fairsicherungsladen in Hannover.

Henning Plagemann: Ralf, vor fünf Jahren habt ihr euren Bestand noch mit einem AMS 4 System verwaltet und euch ein Büro mit einigen Leitz-Ordnern geteilt. Was hat sich seitdem verändert?

Ralf Lampe: Das System ist nach wie vor dasselbe, aber wir haben einen bedeutenden Fortschritt erzielt: Die Papierakten wurden digitalisiert. Mit der Unterstützung einer studentischen Hilfskraft haben wir die Dokumente eingescannt und digitalisiert. Die Leitz-Ordner sind nun aus dem Büro verschwunden, doch die digitale Struktur entspricht noch nicht ganz meinen Vorstellungen. Ziel war ja die Verwaltung aller Dokumente und Prozesse in einem neuen MVP System.

HP: Woran ist es gescheitert?

„...und dann sehen die Anwendungen auch noch aus wie unter Windows 3.11.“

Ralf Lampe
fairsicherungsladen Hannover

RL: Meine Ansprüche sind im Laufe der Zeit nicht geringer geworden. Mit dem Trend zum Homeoffice möchte ich natürlich keine On-Premise-Anwendung mehr nutzen, sondern strebe idealerweise eine vollständige Online-Lösung an. Doch genau an dieser Anforderung scheitern derzeit viele Anbieter. Sie arbeiten zwar daran, wie zum Beispiel unser Hersteller Acturis, aber es ist eben noch nicht fertig. Und warum sollte ich heute von einem AMS 4 auf AMS 5 migrieren, wenn die nächste Migration auf die AMS 6 praktisch schon vor der Tür steht? Das kann ich meinen Mitarbeitern nicht zumuten und das will ich mir auch ersparen. So liegt wieder ein überzeugendes Argument auf dem Tisch, nichts zu tun und abzuwarten.

HP: Deine Verbandskollegen warten auf deine Empfehlung. Du hast dir den gesamten Markt angeschaut und warst aktiv an unserer MVP-Marktanalyse beteiligt. Was hat dich in der Praxis noch von einer Entscheidung abgehalten?

RL: Für den MVP-Navigator haben wir die Systeme auf ihre genauen Prozesse hin untersucht. Das gibt mir als Anwender einen guten Anhaltspunkt, mit welchem Systemhersteller ich tiefer ins Gespräch gehen sollte. So habe ich mir Keasy näher angeschaut, weil sie in der Untersuchung eine sehr gute Prozessabdeckung gezeigt haben und über vordefinierte Arbeitsabläufe für die Mitarbeiter verfügen. Sie arbeiten allerdings auch noch an der Onlinevariante, sodass man sich derzeit mit einem On- und Offlinebetrieb arrangieren muss.

HP: Welche Erfahrungen hast du mit den Herstellern von MVPs gemacht, insbesondere als erfahrener Makler mit einem ausgeprägten technischen Verständnis?

RL: Wir hatten eine Präsentation mit einem Anbieter für mehrere Maklerkollegen organisiert. Im Vorfeld hatten wir unsere spezifischen Vorstellungen und klar formulierten Fragen an den Anbieter übermittelt. Doch vor Ort erlebten wir eine enttäuschende Verkaufspräsentation, die unsere Fragen vollkommen unbeantwortet ließ. Da wir auch vertriebsorientiert arbeiten, entschieden wir uns nach dieser Enttäuschung, Abstand zu nehmen.

Ein besonders bemerkenswertes Erlebnis war das Gespräch mit Matti Bargfried von CODie. Er kannte den Markt und die Anforderungen an den Daten- und Dokumentenaustausch im Detail. Er stellte mir gezielte Fragen zu unserem Geschäftsmodell, unserer Arbeitsweise und Bestandszusammensetzung. Am Ende riet er mir jedoch von seinem System ab, da es einfach einen anderen Schwerpunkt hat. Diese Kompetenz und Klarheit würde ich mir von meinem MVP-Hersteller wünschen.

HP: Hast du auch die Preise verglichen oder bist du nicht so weit gekommen?

RL: Die Lizenzkosten sind ein zentrales Thema. Softwareentwicklung ist teuer, aber ich erwarte auch ein nachhaltiges Produkt, das über viele Jahre gepflegt und weiterentwickelt wird. Manche Lizenzmodelle sind aber einfach abenteuerlich und halten einer kritischen Prüfung auf ihren Mehrwert nicht stand.

Mein Zögern, die neueste Version von AMS zu erwerben, ist auch auf den Lizenzpreis zurückzuführen - für die mittlerweile veraltete Version müsste ich fast das Dreifache der bisherigen Lizenzkosten aufbringen, ohne die wesentlichen Vorteile der Nachfolgeversion zu erhalten. Natürlich hätten wir schon vor einigen Jahren auf die neue Version umsteigen können, aber so ist die Situation nun einmal.

Bei einem anderen Anbieter hatten wir inhaltlich und technisch ein gutes Gefühl mit dem System, aber als wir unser Dokumentenvolumen mit deren Lizenzbedingungen verglichen haben, stellten wir fest, dass jedes Dokument einzeln abgerechnet wird. Das hätte uns allein für den digitalen Postkorb fast 1.000 Euro im Monat gekostet, zusätzlich zur Lizenz für die Anwendung.

Manche Lizenzmodelle basieren auf Bruttoprämien, und das wären in unserem Bereich Leben/Kranken allein 10.000 Euro jährlich, obwohl administrativ in den Sparten wenig passiert. Und das für Anwendungen, die aussehen, als wären sie vor 30 Jahren unter Windows 3.11 entwickelt worden.

HP: Hast du dir auch Pools und andere Dienstleister angeschaut?

RL: Ja, die Kollegen von blau direkt hatte ich wegen ihrer Technikaffinität natürlich schon immer im Blick und habe mir das näher angeschaut. Die Technik und die Prozesse sind beeindruckend, das ist eine andere Welt. Aber wenn wir unsere Prozesse komplett an deren Systeme anpassen würden, gäben wir unsere Unabhängigkeit auf. Das schreckt mich ab.

Wir haben uns auch Dienstleister angeschaut, die uns nicht nur bei der Einführung eines MVP-Systems, sondern auch bei einem eigenen Angebot für das Datenclearing von GDV-Daten und BiPRO-Dokumenten unterstützen könnten. Aber auch hier entsteht eine dauerhafte und kostenintensive Abhängigkeit, von der einige Maklerkollegen inzwischen abraten. Es reicht ja schon, wenn man sich eine Kunden-App von denen besorgt, über die bestimmte Kundenservices laufen, weil das MVP-System das nicht bietet. Das will man den Kunden natürlich nicht wieder wegnehmen, wenn sie das akzeptiert haben.

HP: Wie geht es jetzt weiter? Ich appelliere ja an die Nutzung von Automatisierungsprozessen im Maklerbüro, du kämpfst noch mit der Entscheidung für ein System. Was können wir gemeinsam tun, um das zu beschleunigen, gefühlt geht das alles viel zu langsam.

RL: Das ist eine berechtigte Frage, weil es vielen so geht. Ein befreundetes Unternehmen mit 13 Mitarbeitern hängt an einem Altsystem im Runoff-Betrieb, sie bezahlen einen pensionierten Mitarbeiter des Herstellers für systemerhaltende Maßnahmen. Manche warten auf die VEMA, die einmal Entwicklungsabsichten geäußert hat. Andere handeln spontan, so hat ein Maklerkollege auf Salia gesetzt, viel Zeit und Geld in die Migration investiert und ist nach deren Übernahme wieder auf der Suche nach einem neuen System.

HP: Das Fairsicherungsbüro in Frankfurt hat sich für AMS 5 entschieden. Ist das für euch eine Option?

RL: Die Migration läuft noch, ich bin gespannt, was die Kollegen berichten. Ich würde mich gerne für ein MVP-System mit moderner Technologie entscheiden, das auch Automatisierung und schlanke Prozesse im Blick hat. Die Standardprozesse aus dem Makleralltag müssen abgebildet werden, das würde uns das Leben erleichtern und wäre dann auch eine Investition wert.

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