Sterbende MVP-Systeme, renditeorientierte Pools und der unabhängige Makler

Was braucht ein unabhängiger Makler? Ein MVP-System.

Welches soll er nehmen bzw. wie bekommt er sein bestehendes System „fit“ für das digitale Maklerbüro? Das ist schon eine etwas kompliziertere Frage. Und ich habe diese Frage auf der DKM an Matti Bargfried gestellt, denn er ist die zweite (junge) Generation eines MVP-Herstellers. Was sein Vater nebenbei auf dem Dachboden begonnen hat, führt er nun fort. Und da er noch einige Berufsjahre vor sich hat, gehe ich von einem planvollen Vorgehen und damit von einer Perspektive für das MVP-System aus.

Henning Plagemann: Viele Marktteilnehmer blicken in diesen Tagen auf die DKM zurück. Du warst sicher zufrieden mit der DKM, denn Du warst immer im Gespräch, wenn ich Deinen Stand besuchte. Interessanter ist aber der Blick nach vorne: Wie schätzt Du den MVP-Markt ein, welche Chancen hast Du mit Deinem Produkt CODie und wie willst Du sicherstellen, dass Du damit auch in Zukunft Geld verdienen und den Maklern dauerhaft ein zeitgemäßes Produkt zur Verfügung stellen kannst?

„Der Makler als Unternehmer muss betriebswirtschaftlich denken und handeln.“

Matti Bargfried
CODie Maklersoftware

Matti Bargfried: Wohin geht die Reise, diese Frage wird nach jedem Kauf eines MVP-Anbieters akut und in den Medien diskutiert. Der jüngste Paukenschlag war der Kauf von "zeitsprung", kein MVP-Anbieter, aber ein wichtiger Baustein für viele Softwareanbieter und Pools, denn zeitsprung ist einer der bekanntesten Dienstleister für den Abruf von BiPRO-Dokumenten.

HP: Direkt nachgefragt, weil der Name gefallen ist: Es gibt kritische Stimmen im Markt, die sich nun Sorgen um die Datentransparenz machen, immerhin ist mit blau direkt ein aktiver Marktteilnehmer mit großer Vertriebsmacht im Besitz eines wirklich großen Datensammelbeckens.

MB: Dies führt natürlich zu Unruhe und Irritationen, aber bleiben wir zunächst gedanklich bei den MVP-Systemen. Mit der Übernahme des Salia-Systems durch die DEMV, die wiederum von der HG Capital, zu der auch die Fonds Finanz gehört, aufgekauft wurde, kam für einige Makler das böse Erwachen. Ein klassisches und unabhängiges MVP-System war plötzlich in den Händen eines Pools. Zu diesem Zeitpunkt war allen klar: Der Markt ist in Bewegung, hier ändert sich etwas.

HP: In unserer aktuellen dvb-Marktstudie haben wir über 40 Systeme gezählt, die derzeit bei Maklern produktiv im Einsatz sind.

MB: Das ist eine große Zahl, nach unserer Zählweise im Sinne einer Wettbewerbsbetrachtung gibt es noch ca. 10 Anbieter auf dem deutschen Markt, denen ich zutraue, eine gute Nische zu finden. Diese Anbieter haben sehr individuelle Produkte und Schwerpunkte. Normale Märkte werden trotz der Vielfalt relativ schnell von 4-5 großen globalen Anbietern dominiert, so dass ich davon ausgehe, dass sich der Markt weiter verkleinern wird.

HP: Wer ist eure Zielgruppe, in welchen Bereichen seid ihr besser als andere und wo seht ihr eure Nische bzw. Spezialisierung?

MB: Wir haben uns auf Unternehmen konzentriert, die stark auf strukturierten Vertrieb und strukturierte Abrechnung ausgerichtet sind. Dabei handelt es sich nicht nur um klassische Strukturvertriebe, sondern auch um viele Maklerhäuser oder digitale Makler, die Provisionen innerhalb des Unternehmens oder mit externen Akteuren teilen. Klassische Strukturvertriebe konzentrieren sich auf Vermittlerzugang und -abrechnung sowie Konditionsvereinbarungen. Digitale Makler hingegen konzentrieren sich auf API-Umfang, Customizing und Automatisierung. Hier sehe ich uns als Marktführer neben Anbietern wie SmartinsurTech oder auch Pools wie blau direkt und Fonds Finanz. Aber auch mittlere bis große Vermittler, die stark prozessorientiert agieren wollen, nutzen unser MVP-System.

HP: Sind die Poolsysteme aufgrund ihrer reinen Online-Ausrichtung und dem starken Backoffice dahinter eine uneinholbare Konkurrenz für das klassische MVP-System?

Großes Interesse der Makler an den Ständen zum Thema "IT und Prozesse" auf der DKM 2023.

MB: Ich denke, im Sinne der Bestandsdatenpflege und des Einspielens ist es sehr schwierig, als reiner technischer Dienstleister dort mitzuhalten, sowohl technisch als auch rein rechtlich gibt es hier viele Herausforderungen, was z.B. die Datenabfrage beim VU betrifft. Allerdings sind einige Pools dabei, sich als Infrastrukturdienstleister einen Namen zu machen. D.h. sie bieten den Datenabruf gegen Entgelt auch für Dritte an. Durch die Entwicklung entsprechender APIs können sich MVP-Anbieter weiterhin auf ihre Kernaufgaben (Verwaltung und Tagesgeschäft) konzentrieren. Während die Pools weiterhin die Analyse und den Abschluss anbieten.
Ich erwarte auch, dass die Pools, die in der Lage sind, die Umdeckung / den Abschluss zu automatisieren, das auch bald über API anbieten werden und versuchen werden, das bei den MVP-Anbietern zu platzieren. Sozusagen Tarifaktualisierung-as-a-Service, für eine kleine Gebühr pro Police, einen Overhead oder für das Eigentum daran, das wird man sehen.
Der Punkt ist, wer seinen eigenen Bestand automatisch umdecken kann, der kann schon bei den Gesellschaften anklopfen und fragen "Was gibst du mir für 50.000 Neuabschlüsse?", wer das nicht nur mit dem eigenen Bestand machen kann, der kann fragen "Was gibst du mir für 200.000 Neuabschlüsse?". Wenn auch nicht im LV-Bereich, so wäre das zumindest bei Komposit heute schon möglich.

HP: In unserer aktuellen Studie wird deutlich, dass die Makler sehr explizit nach Unterstützung bei der Automatisierung fragen. Digitale Daten durch BiPRO und Co. sind das eine, die tatsächliche Erledigung wiederkehrender Aufgaben durch die Maschine das andere. Wie lösen wir dieses Problem in der Branche, was trägt dein System dazu bei?

MB: Nun, wir sind eines der wenigen Systeme, das einen visuellen Workflow bietet, der interne und externe Prozesse steuert. Diese werden durch ein Regelwerk (automatisch) oder durch Echtzeitüberwachung des Benutzerverhaltens gestartet. Im Prinzip kann man seinen Ordner mit Arbeitsanweisungen wegwerfen, die sind alle digitalisiert in CODie drin.
Aber man muss ehrlich sagen, so ein System ist komplex und nicht jeder Makler ist in der Lage, über interne Prozesse nachzudenken und diese in einer Software abzubilden. Gerade kleine Maklerbüros sind damit überfordert. Das sollten nur Unternehmen machen, die ihre Geschäftsprozesse als Teil der Unternehmensstrategie oder -kultur verstanden haben, denn das erfordert fachliches und technisches Engagement in rauen Mengen. Vergleichbar mit dem Bau eines neuen Firmengebäudes, bei dem die einen bei der Raumaufteilung mitreden wollen und die anderen die Finger von der Architektur lassen.

HP: Und wie macht der Makler das? Beim Bau eines Gebäudes kann er auf seinen Architekten zurückgreifen.

MB: Wie immer hat der Unternehmer mehrere Möglichkeiten. Er kann für sich oder sein Verwaltungsteam einen Berater des Herstellers buchen, der zunächst die Prozesse im Haus analysiert und dann im MVP-System umsetzt. Er kann aber auch einen unabhängigen Maklerberater beauftragen, der die bestehenden Prozesse nicht nur umsetzt, sondern auch hinterfragt und gegebenenfalls optimiert und anpasst. Oder der Makler spricht mit Maklerkollegen, die die gleiche Anwendung nutzen, lässt sich deren Vorgehen zeigen und lernt die Funktionsweise des Systems im Detail kennen, indem er sich die Abbildung der Vertriebs- und Verwaltungsprozesse in der Anwendung genau anschaut. Am Anfang braucht man Hilfe, später wahrscheinlich nicht mehr.

HP: Vielen Dank für die Ausführungen. Ich kann nur an die Makler appellieren, sich mit den Möglichkeiten der Automatisierung in ihrem MVP-System zu beschäftigen. Jeder eingesparte manuelle Prozess ist eine Erleichterung.

Richtigstellung 17.11.2023: Eine vorherige Aussage, dass DEMV von Fonds Finanz gekauft wurde, war falsch. Es gibt keine Beteiligung der Fonds Finanz am DEMV. Beide Unternehmen agieren weiterhin eigenständig als gleichberechtigte Partner unter dem Dach einer gemeinsamen Holding.